Elfenstern
seiner magischen Kräfte an bestimmten Orten
Zufluchtsstätten zu
errichten, die – wenigstens für eine gewisse Zeit
– Schutz und Sicherheit
bieten. Ich kann nicht sagen, ob es wahr ist oder nicht, da ich von
Süden
gekommen bin.«
»Du gehst? Aber es ist gefährlich, bei
Nacht
durch das Labyrinth zu wandern!«
»Das ist mir gleichgültig«,
antwortete Haplo. Er
legte die Hände zusammen und führte sie zur rituellen
Abschiedsgeste an die
Stirn. Der Älteste erwiderte sie, und Haplo verließ
die Hütte. In der Tür blieb
er einen kurzen Moment stehen. Das Freudenfeuer verbreitete einen
hellen
Lichtschein, doch ließ es die Dunkelheit nur um so
undurchdringlicher
erscheinen. Haplo schickte sich an, in diese Dunkelheit einzutauchen,
als er
spürte, wie eine Hand nach seinem Arm griff.
»Das Labyrinth tötet, was es erreichen kann
–
wenn nicht unseren Leib, dann unseren Lebensmut«, sagte der
Stammesälteste.
»Traure um deinen Verlust, mein Sohn, und vergiß
nie, wer die Verantwortung
trägt. Sie, die uns hier eingekerkert haben und sich
zweifellos mit Vergnügen
an unserem verzweifelten Überlebenskampf weiden.«
Es sind die Sartan … Sie haben uns zu dieser
Existenz verdammt. Sie tragen die Verantwortung für all das
Böse, das hier
geschieht.
Die Frau sah ihn an, in ihren braunen Augen
tanzten goldene Lichtpunkte. Manchmal habe ich Zweifel.
Vielleicht ist das
Böse in uns.
Haplo verließ das Lager der Siedler und setzte
seine einsame Wanderung fort. Nein, er vermißte die Frau
nicht. Vermißte sie
überhaupt nicht …
Im Labyrinth gibt es einen Baum, den Waranth,
der besonders köstliche und nahrhafte Früchte
trägt, die allerdings in einem
Nest giftiger Dornen sitzen. Da ausgerechnet die Innenseiten der
Hände nicht
von Runen geschützt sind, ist die Gefahr, sich zu stechen,
beträchtlich. Das
Gift der Dornen kann tödlich wirken, wenn es in den
Blutkreislauf gerät,
deshalb müssen sie trotz ihrer Widerhaken umgehend
herausgerissen werden – was
erhebliche Schmerzen verursacht.
Haplo war sicher gewesen, den Dorn entfernt zu
haben, doch zu seinem Erstaunen mußte er feststellen,
daß er ihn immer noch schmerzte
und das Gift immer noch durch seinen Körper kreiste.
»Ich glaube nicht, daß die Zeremonie
meines
Volkes euch gefallen würde.« Seine Stimme war
heiser, die gerunzelten Brauen
beschatteten seine Augen. »Wollt ihr hören, was man
sich bei uns
gelobt? ›Mein Leben für dein Leben. Mein
Tod für
dein Leben. Mein Leben für deinen Tod. Mein Tod für
deinen Tod. ‹ Seid ihr
sicher, daß ihr euch darauf einlassen
möchtet?«
Rega war blaß geworden. »Was bedeuten die
Worte?
Ich habe das nicht verstanden.«
»›Mein Leben für dein
Leben‹ – solange wir
leben, teilen wir die Freuden des Lebens. ›Mein Tod
für dein Leben‹ – ich bin
willens, mein Leben zu opfern und das deine zu retten. ›Mein
Leben für deinen
Tod‹ – ich werde mein Leben lang danach streben,
deinen Tod zu rächen, wenn ich
ihn nicht verhindern kann. ›Mein Tod für deinen
Tod‹ – Ein Teil von mir wird
mit dir sterben.«
»Es ist nicht sehr –
romantisch«, gab Paithan
zu.
»Wo ich herkomme, gibt es keinen guten
Nährboden
für Romantik.«
»Ich glaube, ich möchte erst
darüber
nachdenken«, sagte Rega, ohne den Elf anzusehen.
»Ja, das halte ich auch für
besser«, meinte
Paithan nüchtern.
Die beiden verließen die Brücke. Diesmal
hielten
sie sich nicht an den Händen. Zifnab, der ihnen
gerührt nachblickte, wischte
sich mit dem Bartzipfel die Augen.
»Nur der Liebe wegen dreht sich die Welt!«
seufzte er beglückt.
»Nicht diese Welt«,
sagte Haplo mit einem
stillen Lächeln. »Habe ich recht, alter
Mann?«
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Kapitel 30
An Bord der Drachenstern
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«,
schnaufte Zifnab und schickte sich an, die Brücke zu
verlassen.
»O doch, du weißt es.« Haplos
Finger schlossen
sich um den mageren, knochigen Arm des Zauberers. »Siehst du,
ich weiß, wohin
wir unterwegs
sind, und ich kann mir auch ziemlich genau
denken, was wir bei unserer Ankunft dort vorfinden werden. Und du,
alter Mann,
kannst dich dann auf einiges gefaßt machen.«
Ein feuriges Auge tauchte plötzlich vor dem
Fenster auf und spähte ungnädig ins Schiffsinnere.
»Was hast du jetzt wieder
angestellt?« verlangte der Drache zu wissen.
»Nichts. Alles unter Kontrolle!«
versicherte
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