Elfenstern
Stich
lassen«, wandte
Paithan ein.
Zifnab wirbelte herum. Die Brauen des alten
Zauberers sträubten sich zornig. »Ich habe euch aus
einem bestimmten Grund
hierhergebracht. Werft euer Leben nicht weg, oder ihr zerstört
alles, wofür ich
gearbeitet habe! Sucht die Stadt!« schrie er und wedelte mit
den Armen. »Sucht
die Stadt!«
Zifnab begann zu laufen. Der Kopf des Drachen
schnellte vor, er bekam den fliegenden Saum des mausgrauen Habits zu
fassen,
und der alte Zauberer fiel zu Boden. In dem verzweifelten
Bemühen, sich zu
befreien, grub er die Finger in das weiche Moos.
»Flieht, ihr Narren!« schrie er, und dann
schloß
sich der gewaltige Rachen über ihm.
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Kapitel 34
Irgendwo,
Pryan
Haplo nahm sich Zeit, die verlassene Stadt zu
erkunden, um nichts zu übersehen und seinem Gebieter einen
präzisen und
ausführlichen Bericht geben zu können. Mitunter kam
ihm flüchtig der Gedanke an
seine Passagiere, die er allein zurückgelassen hatte, doch ihr
Schicksal war
ihm zu gleichgültig, um ihn für länger von
seiner eigentlichen Aufgabe ablenken
zu können. Was er innerhalb der Stadtmauern vorfand
– oder vielmehr nicht
vorfand –, war von erheblich größerer
Bedeutung.
Im Gegensatz zu seinem ersten Eindruck war diese
Stadt doch verschieden von ihrem Gegenstück im Nexus. Die
Unterschiede
erklärten manches, ließen aber doch einige Fragen
unbeantwortet.
Unmittelbar hinter dem Stadttor befand sich ein
kreisrunder, gepflasterter freier Platz. Haplo zeichnete eine Reihe
blau
schimmernder Runen in die Luft und blieb abwartend stehen. Bilder, im
Stein
gefangene Erinnerungen an die Vergangenheit, erwachten zu unwirklichem
Leben,
und der Platz bevölkerte sich mit Geistern. Durchsichtige,
schattenhafte
Gestalten kauften ein, feilschten, tauschten Neuigkeiten aus. Elfen,
Menschen
und Zwerge drängten sich zwischen Buden und Ständen.
Hier und da entdeckte Haplo
die weißgekleidete, asketische Gestalt eines Sartan.
Es war Markttag – präziser: Markttage, denn
in
dieser Geisterwelt wurden Jahre zu Augenblicken. Es herrschte nicht nur
Friede
und Harmonie innerhalb der weißen Mauern. Elfen und Menschen
prallten aufeinander;
Blut floß. Zwerge stürmten den Basar, rissen die
Buden nieder, zertrampelten
die Waren. Trotz ihrer überlegenen magischen Kräfte
waren die Sartan unfähig,
ein Mittel gegen das Gift von Rassenhaß und Vorurteilen zu
finden.
Und dann tauchten zwischen den Bewohnern der
Stadt gigantische Wesen auf, die selbst die meisten der hohen
Gebäude
überragten. Sie waren augenlos, stumm, stark und
mächtig. Sie stellten die
Ordnung wieder her und bewachten die Straßen. Die Nichtigen
lebten in Frieden,
aber es war ein erzwungener Friede – instabil und
widerwillig.
Je mehr Zeit verstrich, desto undeutlicher
wurden die Bilder. Er strengte die Augen an, trotzdem vermochte er kaum
noch
etwas zu erkennen und begriff schließlich, daß
nicht seine Magie ihn im Stich ließ,
sondern die Magie der Sartan im Schwinden begriffen war, von der die
Stadt
zusammengehalten wurde. Sie nahm stetig ab, löste sich auf und
verlief wie
Farben auf einem vom Regen verwaschenen Aquarell. Bald lag der Platz
wieder tot
und leer vor Haplo, die Geistergestalten der früheren Bewohner
waren
verschwunden.
»Nachdem die Sartan unsere Welt zerstört
und sie
in die vier Elemente aufgeteilt hatten«, sagte Haplo zu dem
Hund, der sich
steifbeinig erhob, nachdem er während der
Bildervorführung auf dem Marktplatz
gelangweilt eingenickt war, »brachten sie einen Teil der
Nichtigen in diese
Welt, durch das Todestor, wie sie bereits einen anderen Teil nach
Arianus
geführt hatten. Doch hier wie da sahen sie sich mit ungeahnten
Problemen
konfrontiert. In Arianus – der Welt der Lüfte
– gab es auf den schwebenden
Kontinenten alles, was die Nichtigen zum Leben brauchten,
außer Wasser. Die
Sartan bauten das gigantische Allüberall, um die Kontinente
neu zu ordnen und
von dem unter ihnen beständig tobenden Unwetter mit Wasser zu
versorgen.
Aber dann muß etwas geschehen sein. Aus
irgendeinem geheimnisvollen Grund ließen die Sartan ihr
Projekt im Stich und
gleichzeitig auch die Nichtigen. Auf Pryan mußten die Sartan
entdecken, daß sie
– nach ihren Maßstäben –
unbewohnbar war. Alle wichtigen Bodenschätze liegen
unter einer unsinnig wuchernden Vegetation begraben, und über
allem leuchten
vier erbarmungslose Sonnen,
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