Elfenstern
sah, daß sie längliche Bündel auf den Armen
trugen. Er entdeckte einen Schopf
langer, dunkler Haare …
»Rega!« Er setzte sich auf und zerrte wild
an
seinen Fesseln.
Andor lächelte schief. »Freunde von dir!
Und ein
Elf ist dabei! Gott der Fluten, wenn ihr uns in
die Hände gefallen wärt
…«
Die Tytanen trugen ihre neuen Gefangenen zu dem
Baum, unter dem die beiden anderen lagen. Roland bemerkte erleichtert,
daß sie
behutsam mit ihnen umgingen und sie vorsichtig zu Boden gleiten
ließen. Beide,
Rega und Paithan, waren bewußtlos. Zum Glück
schienen sie unverletzt zu sein;
Roland sah kein Blut, keine Anzeichen von Blutergüssen oder
gebrochenen
Knochen. Die Tytanen fesselten ihre Gefangenen sorgfältig,
schauten wie sinnend
einen Moment auf sie hinab und entfernten sich. In der Mitte der
Lichtung versammelten
sie sich zu einem Kreis und wandten einander die blinden Gesichter zu.
»Gespenstische Bande«, meinte Roland. Er
rückte
so dicht wie möglich an Rega heran und legte das Ohr an ihre
Brust. Ihr
Herzschlag war kräftig und regelmäßig. Er
stieß sie mit dem Ellbogen an.
»Rega!«
Ihre Lider flatterten. Sie schlug die Augen auf,
erkannte Roland und blinzelte verwirrt. Die Erinnerung an das erlebte
Grauen
spiegelte sich in ihrem Blick. Sie versuchte sich zu bewegen,
entdeckte, daß
sie gefesselt war, und hielt erschrocken den Atem an.
»Rega! Pst, lieg still. Nein, laß es sein.
Diese
verdammten Ranken ziehen sich nur noch fester zusammen!«
»Roland! Was ist geschehen? Wer sind diese
…«
Rega schaute zu den Tytanen hinüber und erschauerte.
»Die Tyros müssen die Gefahr gewittert
haben und
sind auf und davon. Ich lief hinterher, um sie wieder einzufangen, als
plötzlich um mich herum der Dschungel lebendig wurde. Sie
packten mich,
schlugen mich, und ich verlor die Besinnung.«
»Paithan und ich, wir standen auf diesem
…
diesem Vorsprung. Auf einmal waren sie da und rissen
…«
»Schon gut, schon gut. Es ist alles vorbei. Wie
steht’s mit Quin? Hat er sich verletzt?«
»Ich … ich glaube nicht.« Rega
betrachtete ihre
sporenbedeckte Kleidung. »Der Pilz muß den Aufprall
gedämpft haben.« Sie neigte
sich zu dem Elf hinüber und rief leise: »Paithan!
Paithan, kannst du mich
hören?«
»Aaaah!« Paithan erwachte mit einem
Aufschrei.
»Er soll die Klappe halten!« grollte
Andor.
Die Tytanen hatten ihre stumme Konferenz beendet
und richteten den augenlosen Blick auf ihre Gefangenen. Einer nach dem
anderen
setzten sie sich lautlos, anmutig in Bewegung und näherten
sich dem Baumstamm,
an dem die vier lagen.
»Das war’s dann!« sagte Andor
grimmig. »Auf
Wiedersehen in der Hölle, Thillier!«
Irgend jemand stieß einen wimmernden Laut aus.
Roland wußte nicht, ob es Rega oder Paithan war; er vermochte
die Augen nicht
lange genug von den Riesen abzuwenden, um es herauszufinden. Er
spürte, wie
Rega sich zitternd an ihn schmiegte. Das Rascheln von Blättern
deutete darauf
hin, daß Paithan versuchte, sich an Rega heranzuschieben.
Roland, der die Tytanen beobachtete, sah keinen
Grund, sich besonders zu fürchten. Sie waren groß,
aber ihr Benehmen wirkte
nicht eigentlich drohend oder unheilverkündend.
»Sieh mal, Schwesterlein«, raunte er,
»wenn sie
uns töten wollten, hätten sie es längst
getan.
Also bleib ganz ruhig. Sie sehen nicht besonders
helle aus. Es gelingt uns bestimmt, sie zu beschwatzen.«
Andor lachte, ein schreckliches Geräusch, bei
dem seinen Leidensgefährten das Blut in den Adern erstarrte.
Die Tytanen – zehn
von ihnen – blieben in einem Halbkreis vor den Gefangenen
stehen. Die
augenlosen Gesichter wandten sich ihnen zu. Eine sehr sanfte, sehr
leise Stimme
begann zu sprechen.
Wo ist die Zitadelle?
Roland schaute verblüfft zu ihnen auf.
»Habt ihr
etwas gesagt?« Er hätte schwören
können, daß ihre Lippen sich nicht bewegten.
»Ja, ich habe es auch gehört«,
meinte Rega
ehrfurchtsvoll.
Wo ist die Zitadelle?
Die Frage wurde wiederholt; Roland spürte das
leise Raunen der Worte in seinem Kopf.
Andor stieß erneut sein abgehacktes Lachen aus;
er schien dem Wahnsinn nahe zu sein. »Ich weiß es
nicht!« kreischte er
plötzlich und warf den Kopf wild hin und her. »Ich
weiß nicht, wo diese
gottverdammte Zitadelle ist!«
Wo ist die Zitadelle? Was sollen wir tun?
Jetzt war es kein Raunen mehr, sondern ein
Schrei, der wie ein gefangenes Tier durch Rolands
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