Elfenstern
aber vorher
nicht!« Calandras funkelnder Blick wanderte von einem zum
anderen. »Es ist
schlimm genug, daß ich Verrückte unter diesem Dach
beherbergen muß, aber es ist
das Haus meines Vaters, und ihr seid seine
›Gäste‹! Deshalb will ich euch hier
Nahrung und Unterkunft gewähren, dann soll mich San holen,
wenn ich auch noch
mit euch am Tisch sitzen und euren Anblick ertragen muß. Von
jetzt an, Papa,
nehme ich die Mahlzeiten in meinem Zimmer ein!«
Die Frau beugte sich über den Stuhl. Ihre
Hände
umklammerten die Lehne mit solcher Gewalt, daß die Adern als
leuchtend blaue
Linien an den weißen, mageren Armen hervortraten.
»Und niemand wird glücklicher
sein als ich, wenn ihr euch alle miteinander zu den Steinen aufmacht
und ich
endlich wieder meine Ruhe habe!«
Calandra fuhr herum; Röcke und Unterröcke
raschelten wie Blätter an einem von Windböen
geschüttelten Baum. Sie stürmte
aus dem Zimmer und knallte die Tür zur Diele mit solchem
Nachdruck zu, daß der
Holzrahmen bebte. Als der Sturm vorübergezogen war, senkte
sich Stille auf die
Zurückgebliebenen.
»In meinen ganzen elftausend Jahren habe ich ein
solches Benehmen nicht erlebt«, tat die Stimme unter dem
Fußboden in
schockiertem Tonfall kund. »Wenn ihr meinen Rat
hören wollt …«
»Eigentlich nicht«, sagte Zifnab hastig.
»… dieser jungen Frau würde eine
ordentliche
Tracht Prügel nichts schaden«, schloß der
Drache.
Haplo schob unauffällig die Bandagen wieder
über
seine Hände.
»Es ist meine Schuld«. Lenthan kauerte
zusammengesunken auf seinem Stuhl.
»Sie hat recht. Ich bin verrückt.
Diese
Träume, zu den Sternen reisen und meine geliebte Frau
wiederzufinden …«
»Nein, alter Freund, nein!« Zifnab schlug
mit
der flachen Hand auf den Tisch, um seinen Worten Nachdruck zu
verleihen. »Wir
haben das Schiff.« Er deutete auf Haplo. »Und den
Mann, der weiß, wie man damit
umgeht. Unser Retter! Habe ich nicht gesagt, er wird kommen? Und er ist
gekommen!«
Lenthan hob den Kopf und richtete den Blick
seiner milden verschwommenen Augen auf Haplo. »Ja. Der Mann
mit den verbundenen
Händen. Du hast es gesagt, aber …«
»Nun denn!« unterbrach ihn Zifnab mit
triumphierend gesträubtem Bart. »Ich habe meine
Ankunft angekündigt, und hier
bin ich. Ich sagte, wir fliegen zu den Sternen, also fliegen wir. Uns
bleibt
nicht viel Zeit«, fügte er leise hinzu. Sein Gesicht
verzog sich kummervoll.
»Das Unheil naht. Während wir hier sitzen,
rückt es unaufhaltsam näher.«
Aleatha seufzte. Sie wandte dem Fenster den
Rücken, trat zu ihrem Vater, legte ihm die Hände auf
die Schultern und gab ihm
einen Kuß. »Du mußt dich wegen Callie
nicht kränken, Papa. Sie arbeitet einfach
zuviel. Du weißt, daß sie nicht immer meint, was
sie sagt.«
»Ja, Kleines«, meinte Lenthan und
tätschelte
seiner Tochter geistesabwesend die Hand. Er sah mit neuerwachtem
Interesse den
alten Magier an. »Also glaubst du ernsthaft, daß
wir mit diesem Schiff zu den
Sternen segeln können?«
»Ohne Zweifel.« Zifnab blickte
nervös über die
Schulter, dann beugte er sich über den Tisch und
flüsterte vernehmlich: »Ihr
habt nicht zufällig eine Pfeife und etwas Tabak im Haus
…«
»Das habe ich gehört!« grollte
der Drache.
Der alte Mann wand sich auf seinem Stuhl.
»Gandalf hat auch gerne ein gemütliches Pfeifchen
geraucht!«
»Und warum glaubst du wohl, hieß er
Gandalf der
Graue? Bestimmt nicht wegen der Farbe seiner
Gewänder«, wies ihn der Drache
vielsagend zurecht.
Aleatha ging aus dem Zimmer.
Während Haplo aufstand, um ihr zu folgen, gab er
dem Hund, der seinen Herrn kaum je aus den Augen ließ, ein
Zeichen. Gehorsam
erhob sich das Tier, trottete zu Zifnab hinüber und legte sich
dem Magier zu
Füßen. Haplo fand Aleatha im Speisezimmer, wo sie
den zerbrochenen Nippes
aufhob, der Calandra zum Opfer gefallen war.
»Diese Scherben haben scharfe Ränder. Ihr
werdet
Euch schneiden. Laßt mich das tun.«
»Eigentlich wäre das eine Arbeit für die
Dienstboten«, meinte Aleatha mit einem entschuldigenden
Lächeln, »nur haben sie
alle gekündigt – bis auf die Köchin, und
die bleibt vermutlich nur deshalb,
weil sie nicht weiß, was sie ohne uns anfangen sollte. Sie
ist bei uns, seit
Mutter starb.«
Haplo betrachtete die zerbrochene Figur, die er
in der Hand hielt. Es war eine Frauengestalt, eine Göttin
vermutlich, denn sie
hielt wie
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