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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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können.
    Vorsichtig pirschte Ole sich heran. Er schaffte es, sich auf zehn Schritt seiner Beute zu nähern, ohne dass die Elchkuh auch nur den Kopf in seine Richtung wandte. Der Wind blies ihm entgegen. Sie konnte keine Witterung von ihm aufnehmen! Meinte es Luth doch gut mit ihm?
    Die Elchkuh stand hinter einem Dickicht aus Dornenranken. Mit einem Hechtsprung könnte er vielleicht auf ihren Rücken gelangen und ihr den Dolch an den Nackenwirbeln vorbei ins Hirn stoßen. So wäre das Vieh sofort tot, und sein Fell würde kaum mit Blut besudelt. Ole war sich darüber im Klaren, dass dies nicht die Art war, wie man Elche jagte, und dass ein so tolldreister Angriff wenig Aussicht auf Erfolg hatte. Aber vielleicht war ihm ja das Glück hold! Werfen konnte er seinen Dolch immer noch.
    Noch fünf Schritt. Zoll um Zoll schob er sich vorwärts. Jetzt nur keinen Fehler machen! Ein knackender Ast, ein Stein, gegen den er stieß und der den Hang hinabrollte, eine Kleinigkeit reichte schon, um die Jagd zu verderben. Noch zwei Schritte. Ole hatte fast den Rand des Dornengestrüpps erreicht. Er spannte sich, bereit zum Sprung. Noch immer hielt die Elchkuh den Kopf gesenkt. Sie ahnte nichts von ihrem Schicksal.
    Der Hundezüchter grinste. Das Dickicht war niedrig. Es reichte ihm kaum über die Knie. Die Elchkuh musste auf der ande-ren Seite in einem Graben stehen. Ole stieß sich ab. Im selben Augenblick sah die Elchkuh auf. Ihr Kopf war seltsam. Zu schlank. Und ihre Zähne… Mit einem Satz wich das Tier zur Seite aus. Unglaublich schnell.
    Oles Herz setzte einen Schlag lang aus. Hinter dem Dornen-dickicht war kein Graben! Sich überschlagend, stürzte er eine steile, mit Felstrümmern übersäte Böschung hinab. Unfähig, seinen Sturz abzubremsen, schlug er gegen Baumstämme und Steine. Es fühlte sich an, als dresche eine ganze Räuberbande mit Knüppeln auf ihn ein. Er ließ seinen kostbaren Dolch fahren und versuchte mit seinen Händen so gut es ging den Kopf zu schützen. Ein Stoß in den Rücken presste ihm die Luft aus den Lungen. Er konnte nicht mehr atmen. Immer schneller überschlug er sich. Seine Nase blutete. Plötzlich packte etwas seinen linken Fuß. Mit einem mörderischen Ruck endete der Sturz. Er wurde halb herumgerissen. Sein Schienbein schlug auf etwas Hartes. Deutlich hörte er ein trockenes Knacken. Sengender Schmerz durchfuhr sein Bein. Er schrie seine Pein in den Wald hinaus. Es war, als habe ihn eine Axt getroffen. Tränen rannen ihm über die Wangen, ihm wurde übel. Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Fuß steckte noch immer fest. Er hatte sich in einer Wurzel verfangen. Grelle Lichter tanzten vor Öles Augen. Er konnte nur undeutlich erkennen, was mit seinem Bein war. Ein gebrochener Ast schien sich durch seinen Unterschenkel gebohrt zu haben.
    Ole hechelte vor Schmerz. Endlich schaffte er es, sich aufzusetzen. Er musste diesen verdammten Ast aus der Wunde ziehen und sie dann mit dem Gürtel abbinden. Sein Bein war merkwürdig verdreht. Der Fuß steckte in einem seltsamen Winkel in der Wurzelschlinge fest. Bei dem Anblick übermannte ihn eine neue Welle von Übelkeit. Er schloss die Augen, griff mit beiden Händen nach dem verfluchten Ast und zog mit aller Kraft daran. Der Schmerz traf ihn wie ein Peitschenhieb. Ole brüllte wie ein Tier. Keuchte, weinte. Es war, als habe man ihm eine glühende Eisenstange ins Bein gestoßen. Durch einen Tränenschleier starrte er auf seine blutverschmierten Hände und dann auf das Bein. Das war kein Ast, der aus dem zerschunde-nen Fleisch ragte. Es war sein Schienbeinknochen!
    Plötzlich wurde es kälter. Vor ihm stand die Elchkuh am Steilhang. Nein… Jetzt erkannte Ole seinen Irrtum. Dieses Geschöpf war so groß wie eine Elchkuh, aber das war schon alles, was es mit einem Elch gemein hatte. Sein Kopf erinnerte an einen riesigen Hundekopf. Fingerlange Reißzähne säumten die Kiefer. Und es war durchscheinend. Blasses, geisterhaftes Licht ging von ihm aus.
    Eine Zeit lang stand die Kreatur einfach nur dort und blickte auf ihn hinab. Ole hatte den Eindruck, dass dieses Geistertier sich an seinen Schmerzen weidete. Endlich senkte es den Kopf und kam ein wenig näher. Seine Kiefer schnappten nach dem verletzten Bein. Es fühlte sich an, als berühre ihn eisiger Winterwind. Die Zähne versanken in seinem Fleisch, ohne es zu verletzen.
    Etwas Goldenes schimmerte zwischen den Fängen. Die Bestie riss den Kopf zurück. Sie zerrte etwas aus ihm heraus. Eine Schlange?

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