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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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angewurzelt und starrte in das dichte Unterholz. Ole nahm einen Pfeil aus dem Köcher und pirschte vorwärts. Da war etwas. Eine große, helle Gestalt. Zu groß für ein Reh. Es war weiß! Beim Schwänze Luths! Das musste eine weiße Elchkuh sein. Ein Vermögen auf vier Beinen! Weiße Elche waren so selten, dass man nur einmal in hundert Jahren einen fand.
    So hieß es jedenfalls. Das mochte übertrieben sein, Tatsache aber war, dass ein solches Fell eines Königs würdig war.
    Ole malte sich aus, wie er Horsa hinterher eilen würde. Mit etwas Glück könnte er den Herrscher in Honnigsvald einholen. Seine Abreise hatte sich verzögert. Irgendetwas war geschehen, was den König in Wut versetzt hatte. Er hatte seine Männer in alle Winde geschickt, so als sollten sie etwas suchen. Ob er vielleicht Gerüchte über die weiße Elchkuh gehört hatte?
    Wie dem auch sei, dieses eine Mal leuchtete der Glücksstern ihm, Ole von Firnstayn! Von dem Geld für das Fell könnte er einen ganzen Mond lang in Honnigsvald saufen und huren!
    »Los, Mörder, Schädelbeißer! Treibt die Kuh da heraus!« Ihre Beute hatte sie bemerkt und zog sich tiefer in den Wald zurück. Ole fluchte. Du entkommst mir nicht, schwor er sich.
    »Luth hat dich nur für mich geschickt«, sagte er leise und so freundlich, dass sich Schädelbeißer misstrauisch nach ihm umsah, weil er diesen Tonfall von ihm nicht kannte. »Bleib stehen! Ganz gleich, wohin du läufst, ich kriege dich. Also erspar uns allen die Rennerei und bleib stehen.«
    Mörder stürmte mit großem Eifer in den Wald. Kläffend versuchte er, der Elchkuh den Weg abzuschneiden. Ole hatte seine liebe Not, dem Hund ins Unterholz zu folgen. Die Elchkuh hingegen schien sich ohne Mühe ihren Pfad durch das Dickicht zu bahnen. Dabei war sie so geschickt, dass sie sich nicht durch den Lärm brechender Äste verriet. Ole blieb mehrmals stehen und lauschte. Er hörte zwar, wie sich Mörders wütendes Kläffen weiter entfernte, aber er hörte nicht das Knacken von Ästen, das ein so schweres Tier wie ein Elch eigentlich verursachen müsste. Auch vermochte Ole nicht die Fährte der Elchkuh aufzuspüren. Es war wie verhext. Hin und wieder fand der Hundezüchter Pfotenabdrücke von Mörder im schlammigen Waldboden. Guter Hund! Er würde ein großes Lendenstück abbekommen. Hoffentlich stellte er die Kuh nicht allein und ruinierte durch seine Attacken das kostbare Fell!
    Inzwischen war es still geworden. Der Lärm der Verfolgung war verklungen. Ole fluchte stumm in sich hinein. Mit jedem Augenblick, der verstrich, ohne dass er die Elchkuh hörte, wurde es wahrscheinlicher, dass sie ihm entkommen war.
    Seine Jagd hatte ihn tief in den Wald geführt. Nicht weit entfernt erkannte er eine Gruppe von Felsblöcken, die von Jägern gern als Lagerplatz genutzt wurde. Ole überlegte, ob er dort ein Feuer entfachen sollte, um im ersten Morgenlicht zurückzukehren. Der Weg durch den dunklen Wald war recht beschwerlich, wenn man nicht vom Jagdfieber vorangepeitscht wurde.
    »Schädelbeißer?« Der störrische Hund war im Unterholz verschwunden. Die meiste Zeit über hatte er sich ganz in Oles Nähe gehalten.
    Der Jäger blies sich auf die Hände. Sie waren dunkel vor Kälte. Er lehnte seinen Bogen an einen Baum und klopfte sich mit den Händen vor die Brust. Er hatte die Waffe so fest gehalten, dass seine Finger ganz verkrampft waren.
    »Schädelbeißer! Bei Fuß! Wo steckst du Mistvieh?« Nichts regte sich. Hatte der Hund die Gelegenheit genutzt auszureißen? Ole stapfte zu den Steinen hinüber. Der Wald war hier weniger dicht, so dass man gut den Himmel sehen konnte. Einzelne Sterne leuchteten hell hinter den Schleiern aus grünem Feenlicht. Die Felsen hatten eine graugrüne Färbung. Die alte Feuerstelle wirkte wie eine schwärende Wunde im Waldboden. Es war totenstill. Nicht der leiseste Luftzug ließ die kahlen Äste wispern.
    Misstrauisch sah Ole sich um. Etwas stimmte nicht! Der Lagerplatz lud in dieser Nacht nicht zum Verweilen ein. Unschlüssig, ob er bleiben sollte, bückte er sich, um nach der Felsnische zu sehen, in der stets ein Vorrat trockenen Holzes lag. Es war eine längliche Höhlung, die wohl einst ein längst versiegter Wasserlauf aus dem Fels gewaschen hatte. Bei schwerem Regen oder Sturm konnte dort ein einzelner schlanker Mann Zuflucht vor dem Wüten der Elemente finden. Wer immer den Rastplatz nutzte, lagerte dort einen Vorrat frisches Bruchholz ein, bevor er weiterzog, damit auch der nächste

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