Elfenwinter
Ein paar Stunden noch, dann hatten sie die Sicherheit der Felsenburg erreicht.
Sein Blick wanderte zum Horizont. Er konnte nicht begreifen, dass die Trolle keinen neuen Versuch unternommen hatten, sie anzugreifen. Seit der Schlacht rechnete er jeden Augenblick mit einem weiteren Kampf. Was hielt sie zurück? Waren sie zu schwach? Hatte Lambi am Ende Recht mit seiner feurigen Rede? Auch wenn kein Angriff erfolgte, fühlte sich der Feldherr ständig beobachtet. Nicht allein von seinen Leuten und den Elfen. Irgendetwas lauerte im Eis. Es war nie sehr weit entfernt, und dennoch entzog es sich seinem Blick. Er hatte mit Ollowain darüber gesprochen, und der Elf hatte ihm anvertraut, dass es ihm ganz ähnlich ging. Etwas belauerte sie. Vielleicht waren es ja nur die Späher der Trolle? Aber eine innere Stimme mahnte Alfadas, dass dort draußen noch etwas anderes, Heimtückischeres war.
Alfadas blickte zum Ende des Tals. Nur ein paar Meilen noch. Die Felswände ragten dort fast senkrecht auf. Es waren natürliche Mauern, höher als ein Mensch sie jemals hätte bauen können. Einige breite Felsnasen ragten gleich halbrunden Türmen aus der Steilwand. Schnee lag auf schmalen Simsen und in Spalten. Es gab keinen Weg dort hinauf. Die Snaiwamark endete mit diesem Tal. Jenseits der Berge lag die Hochebene von Ca-randamon. Die Elfen konnten diese Festung nicht aufgeben. Im Osten war sie der einzige Zugang zu der Hochebene. Ging die Festung verloren, dann lag die Hochebene fast schutzlos da. Die Felsburgen von Carandamon waren viel kleiner und nicht darauf ausgelegt, gegen einen entschlossenen Angreifer verteidigt zu werden.
Der Herzog dachte zurück an die Abendstunden in Honnigs-vald, als Lysilla von der Festung erzählt hatte. Von den himmelhohen Hallen, dem Labyrinth aus Gängen, den beiden großen Häfen, die es gab, und von all den anderen Wundern.
Alfadas stieg den Hügel hinab und gesellte sich zu den Schäfern, die ihren Zug begleiteten. Die kleine Herde war arg zusammengeschmolzen. Es waren weniger als hundert Tiere geblieben. Sie waren abgemagert und erschöpft. Der Herzog scherzte mit den Männern und ging nach einer Weile zu Egil.
»Nun, Ralf«, sprach er ihn mit seinem falschen Namen an. »Die Arbeit der Schäfer endet bald. Was möchtest du als Nächstes tun?«
Horsas Sohn sah sich sorgsam um. Erst als er sich vergewissert hatte, dass niemand in Hörweite war, antwortete er. »Ich bin jahrelang im Schwertkampf ausgebildet worden. Bitte nimm mich unter die Krieger auf.«
»Die anderen Schäfer reden gut von dir. Du hast es geschafft, dir ihren Respekt zu verdienen. Sie ahnen, dass du von Stand bist. Du kannst deine Herkunft nicht leugnen. Die Art, wie du redest, dein Wissen, selbst wie du dich bewegst, all dies verrät dich. Aber sie haben dein Geheimnis gehütet. Willst du diese Männer verlassen?«
Egil seufzte. »Sollte nicht jeder das tun, was er am besten kann?«
»Und du bist dir sicher, dass du schon herausgefunden hast, was du am besten kannst? Mich plagen selbst heute Zweifel, ob ich den richtigen Weg in meinem Leben eingeschlagen habe.«
Der Königssohn lachte. »Das ist nicht dein Ernst, Alfadas. Du bist ein unvergleichlicher Schwertkämpfer. Kein Mann im Fjordland kann es mit dir aufnehmen. Und auch als Feldherr bist du berühmt. Wie kannst du da zweifeln?«
Der Herzog lächelte. »Hier gilt das nichts. Unter Elfen bin ich als Schwertkämpfer allenfalls Mittelmaß. Aber vielleicht wäre ich ein unvergleichlicher Fischer oder Jäger geworden. Was ich dir sagen will, Egil, ist, dass du dir Zeit lassen sollst. Wie du dich als Krieger schlägst, weißt du schon. Aber kannst du ein Freund sein? Die anderen Schäfer wissen nicht, wer du wirklich bist. Genieße diese Freiheit! Wenn du eines Tages auf dem Thron deines Vaters sitzt, dann wirst du dir nie mehr sicher sein, wer ein Freund ist und wer ein Schmeichler, der allein auf seinen Vorteil bedacht ist. Und du tust gut daran, misstrauisch zu sein, denn Könige haben sehr wenige Freunde.«
Egil blickte zu den anderen Schäfern. Es waren nur fünf Männer. Hartgesottene Burschen. Sonne und Wind hatten ihre Gesichter dunkel und kantig gemacht. »Was werden sie tun, wenn wir in der Elfenburg sind?«
»Ich werde sie fragen. Aber ich habe in der Tat schon Pläne mit ihnen. Es gibt eine Waffe, deren Gebrauch leicht zu erlernen ist und die nicht weniger tödlich als ein Schwert ist. Ich möchte sie auf der Felsenburg im Gebrauch dieser Waffe unterweisen
Weitere Kostenlose Bücher