Elfenwinter
die Unruhe, die du schürst, nicht länger dulden. Ich verweise dich der Stadt. Nimm mit, wer immer dir folgen mag, aber wage es nicht, Honnigs-vald noch einmal zu betreten!«
Der Jarl stieg auf das Fass. »Hört nicht auf dieses verwirrte Mannweib! Seht nur, wie sie aussieht. Trägt ein Kettenhemd wie ein Krieger! Und dann will sie euch hinaus auf das Eis führen! Mitten im Winter. Der Weg nach Gonthabu dauert mehrere Tage. Was glaubt ihr, wie viele von euch dort lebend ankommen werden? Honnigsvald ist überfüllt. Ich werde keinen aufhalten, der gehen möchte. Wir haben zwar nur wenige Krieger, aber viele bewaffnete Freiwillige. Und ich habe schon am Morgen einen Boten zum König geschickt. Wenn wir ein wenig aushalten, dann wird der König zu uns kommen, und niemand muss auf dem Eis sterben.«
Der Jarl erntete zustimmendes Gemurmel. Er deutete mit ausgestrecktem Arm auf Asla. »Dich, Weib, verbanne ich aus der Stadt. Hier ist kein Platz mehr für dich! Verlasse die Stadt, deren Namen du in den Schmutz ziehst.«
Asla wollte aufbegehren, doch Erek packte sie am Arm und zog sie mit sich. »Lass diese Großsprecher«, sagte ihr Vater wütend. »Wir wissen, dass du Recht hast. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren.« Sie drängten sich unter Buhrufen zu den Wagen.
Ulric saß auf dem Kutschbock. »Warum ist der Mann so böse mit dir, Mutter?«
»Weil er dumm ist!«, antwortete Erek an ihrer Stelle. »Lass deine Mutter jetzt in Ruhe.«
»Aber wir müssen Halgard holen! Sie ist nicht hinten auf dem Schlitten!«
»Ich hab sie eben noch bei dem Wagen gesehen, den Kalf fährt«, sagte Asla. »Mach dir keine Sorgen um sie.« Ulric wollte vom Kutschbock springen. »Ich hol sie schnell!«
»Du bleibst hier!« Erek drückte ihn auf seinen Platz zurück. »Hör auf deine Mutter! Hier in dem Gedränge wirst du nur verloren gehen.«
»Ich werde gleich nach Halgard sehen.« Asla lächelte ihn müde an. »Wir lassen niemanden zurück.« Mit diesen Worten machte sie sich auf den Weg zum Ende der Wagenkolonne.
Kaum hatte sie ein paar Schritte getan, fand sie sich umringt von Godlips Kriegern. »Wir sollen dich aus der Stadt bringen, Weib«, sagte ihr Anführer harsch. »Sofort!« Er packte sie und zog sie mit sich fort.
Asla winkte Kalf zu. »Fahrt! Lass alle anfahren!« Ihre Gedanken überschlugen sich. Hatte sie an alles gedacht? Es waren zusätzliche Lebensmittel gekauft, Decken und Pelze, Holzkohle für die Feuerschalen in den überdachten Wagen, dazu sogar Branntwein und Verbandszeug. Asla musste lächeln. Was Alfa-das wohl dazu sagen würde? All die Schätze, die er in den letzten Jahren auf seinen Kriegsfahrten zusammengetragen hatte, waren dahin. Sie hatte ihn an einem einzigen Nachmittag zu einem armen Mann gemacht.
Godlips Krieger sorgten dafür, dass sie zügig die Stadt verlassen konnten. Nur wenige hatten auf Asla gehört und sich dem Wagenzug angeschlossen. Eine Kolonne von vierzehn Schlitten fuhr hinaus aufs Eis nach Süden. Vieh wurde neben den Wagen hergetrieben. Etliche Flüchtlinge zogen nur kleine Handschlitten.
Asla saß bei Kalf auf dem Kutschbock und blickte die Menschenschlange entlang. Es mussten mehr als vierhundert sein, die ihr zuletzt doch geglaubt hatten. Wenn sie nur mehr Wagen hätten!
Sie umrundeten eine Landzunge, auf der ein lichter Birkenwald lag. Dahinter erstreckte sich der Fjord, eingerahmt von steilen Felsen, nach Süden. Hier war der Meerarm schon über fünfhundert Schritt weit. Feenlicht zog über den sternklaren Himmel und tauchte die Winterlandschaft in geheimnisvolle grüne Schatten. Asla rieb sich frierend die Hände. Am liebsten hätte sie sich bei Kalf angelehnt. Es war gut, in seiner Nähe zu sein. Ganz gleich, was geschah, er blieb immer ruhig und zuversichtlich. Neben ihm auf dem Kutschbock zu sitzen, musste ihr jedoch genügen. Mehr Nähe war ihr als verheirateter Frau nicht gestattet.
Ein Schrei störte jäh den Frieden.
»Trolle!« Ein Mann, den Asla nicht kannte, deutete zum Birkenhain zurück. Fünf riesige Gestalten kamen auf das Eis hinausgelaufen, geradewegs auf den Wagenzug zu.
Kalf stellte sich auf und griff nach der Peitsche, die seitlich vom Kutschbock steckte. Ihr Wagen fuhr recht weit hinten in der Kolonne. Vor ihnen lenkte Erek den großen Schlitten, den Alfadas ins Dorf gebracht hatte.
Die Männer und Frauen, die neben den Schlitten hergingen, begannen zu laufen. Jemand reichte Asla ein kleines Kind hinauf. Sie drückte es in die Arme und sah
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