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Elfenwinter

Elfenwinter

Titel: Elfenwinter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Ort, der uns als Zuflucht dienen könnte, ja, den man sogar verteidigen kann. Sunnenberg! Das ist ein Dorf, das nicht weit von hier in den Bergen liegt. Man kommt über einen Seitenarm des Fjords dorthin. Wir würden dem Trollheer also aus dem Weg gehen. Man erreicht Sunnenberg über einen Pass, der nicht allzu steil für die Schlitten ist. Außerdem gibt es bei diesem Pass zwei starke Holzpalisaden. Rentiere wandern im Frühjahr und im Herbst über den Pass. Die Leute aus Sunnenberg nutzen den Passweg dann wie einen riesigen Pferch für die Herde. Sie nehmen einige Tiere heraus und lassen den Rest der Herde dann weiterziehen. Die Anlage ist gut in Ordnung. Das Dorf lebt davon, dass die Palisade hält.«
    Das klang wie eine Antwort auf alle Sorgen. Asla befahl Sig-vald, sich an die Spitze des Flüchtlingszuges zu setzen und sie zu dem abgelegenen Fjord zu führen. Späher sollten nach anderen Flüchtigen Ausschau halten und nach versprengten Kriegern aus Horas Heer. Sie würden jeden mitnehmen, den sie retten konnten. Als alles besprochen war, suchte Asla ihr Fuhrwerk. Müde zog sie sich auf den Kutschbock. Ihr Vater saß leicht vorgebeugt. Er musste wohl eingeschlafen sein.
    Asla streckte sich. Die Wintersonne schien ihr warm ins Gesicht. Wenn sie an Ereks Seite einnickte und sich an seine Schulter lehnte, würde es kein Gerede geben. Sie stieß ihn sanft an. »He, aufwachen. Gleich geht es weiter.«
    Erek rührte sich nicht.
    »Aufwachen.« Sie wollte nach seiner Schulter greifen und ihn schütteln, da sah sie das Blut. Seine Hände, die Hose, die Zügel: alles war voller Blut.
    »Wach auf!«, sagte sie beschwörend, obwohl sie wusste, dass Erek sie nicht mehr hören konnte.
    Jemand zog sie vom Kutschbock. Kalf! Er hielt sie fest. Yilvina kletterte zu Erek hinauf und untersuchte ihn. Asla bäumte sich in der Umklammerung auf, doch Kalf war stärker als sie. Er hielt sie eng an seine Brust gedrückt.
    »Ein Wurfspeer hat ihn in der Seite verwundet.« Die Elfe sah Asla an. Keine Regung zeigte sich in ihrem Gesicht, obwohl sie wochenlang jeden Abend mit Erek am selben Tisch das Abendmahl eingenommen hatte. »Er hat den Speer herausgezogen. Die Wunde ist tief. Sie hat nicht aufgehört zu bluten. Er hat den Schlitten in der Spur gehalten. Irgendwann, nachdem die Kolonne wieder langsamer marschierte, wird er eingeschlafen sein. Die Pferde sind dann einfach dem Gespann vor ihnen gefolgt.«
    Asla war zu erschöpft, um zu weinen. Sie hörte der Elfe zu und konnte doch nicht begreifen, was geschehen war. Erek war immer für sie da gewesen. Nie war er weiter als ein paar Meilen von ihr fort gewesen. Er war alt geworden. Aber er war nicht gebrechlich. Zumindest in ihren Augen!
    »Wir müssen ihn begraben«, sagte sie schließlich.
    »Das geht nicht«, sagte Kalf sanft. »Vielleicht folgen uns die Jäger vom Morgen noch. Wir können nicht anhalten. Noch nicht. Und einen Leichnam mit sich zu führen, bringt Unglück. Das weißt du!«
    »Willst du ihn etwa auf dem Eis liegen lassen?«, fragte sie mit erstickter Stimme. »Du kennst ihn dein Leben lang, und jetzt lässt du ihn als Fraß für die Trolle zurück!«
    »Nein.« Kalf hielt sie noch immer fest im Arm. »Er hat mir einmal erzählt, er würde gern so wie König Osaberg am Grund des Fjords ruhen. Er fand, dass sei für Fischer ein angemessenes Grab… «
    Asla schluckte. Erek hatte ihr auch davon erzählt. Wenn er tot war, wollte er zu den Fischen, die ihn ein Leben lang genährt hatten. Sie wusste auch, dass sie nicht warten konnten. »Lass mich los«, sagte sie leise. »Ich hole die Kinder vom Wagen. Sie sollen von ihrem Großvater Abschied nehmen.«
    Blut trottete neben ihr, als sie zum Heck des Schlittens ging. Mit zitternden Händen öffnete sie die Klappe. Stickige Luft schlug ihr entgegen. Ihre Tante Svenja saß mit mehreren Kindern auf der Pritsche. Matt glühte eine Hand voll Holzkohlestücke in der Feuerschale. Die Elfenkönigin lag lang auf dem Boden ausgestreckt auf einem Lager aus Fellen.
    Svenja blinzelte in das Morgenlicht. »Was ist?«
    Asla setzte an, etwas zu sagen, doch ihr kamen keine Worte über die Lippen. Sie sah Kadlin. Das Mädchen schlief friedlich im Arm ihrer Tante. Aber Ulric war nicht dort!
    »Wo ist mein Sohn?«
    »Ist er nicht draußen bei Erek?«
    Asla knickten die Beine weg. Sie hielt sich am Wagengestell fest. Ihr war übel. Sie dachte an den Tumult in Honnigsvald. Ulric hatte dort noch auf dem Kutschbock gesessen. Und dann… Sie hatte

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