Elfenwinter
zurück. Die Trolle holten schnell auf!
Kalf ließ seine Peitsche über die Köpfe der Schlittenpferde hinwegknallen. Doch es half nicht. So sehr die Pferde sich ins Geschirr legten, die Trolle kamen immer näher. Jetzt konnte Asla schon deutlich ihre Gesichter unterscheiden. Sie trugen leichte Wurfspeere. Einem Mann, der auf dem Eis gestürzt war, stachen sie im Vorbeilaufen einen Speer in den Rücken.
Die Kolonne war auseinander gebrochen, die leichteren Schlitten setzten sich ab. Asla hörte ihren Vater fluchen und auf die Pferde einschlagen. Viele Flüchtlinge versuchten verzweifelt, sich an den Schlitten festzuhalten. Asla sah, wie eine junge Frau unter die Kufen eines Wagens geriet. Mit zerquetschten Beinen blieb sie auf dem Eis zurück.
Die Trolle warfen nun ihre Speere. Die Nacht war erfüllt von Keuchen, Peitschengeknall, den Rufen der Kutscher und dem schleifenden Geräusch der Kufen. Wer laufen musste, hatte keinen Atem, um zu jammern oder zu schreien.
So plötzlich, wie sie angegriffen hatten, gaben die Trolle ihre Verfolgung auf. Sie hoben die Toten und Verletzten vom Eis. Dann zogen sie sich zurück.
»Jäger!«, sagte Kalf. »Wir sind für sie wohl wie eine Rentierherde. Sie töten nur so viele, wie sie essen können. Diesmal zumindest.«
Asla sah den Fischer verwundert an. Er sagte das so kalt, als seien tatsächlich nur ein paar Rentiere erlegt worden.
»Das waren Menschen, die mir vertraut haben«, entgegnete sie aufgebracht. »Kein Schlachtvieh!«
Kalf legte ihr eine Hand auf den Arm. »Beruhige dich. Wir müssen sie verstehen, wenn wir ihnen entkommen wollen.«
»Halt an!« Asla stieg vom Kutschbock. Sie ging zurück, um nach denen zu sehen, die nicht schnell genug waren. »Bring die Wagen wieder zusammen!«, befahl sie ihm schärfer, als sie es eigentlich gewollt hatte. Es dauerte über eine Stunde, bis die Kolonne sich wieder zusammengefunden hatte. Asla half, wo sie konnte, und hörte sich geduldig die Klagen jener an, die sich bitter beschwerten, von den Schlitten im Stich gelassen worden zu sein. Blut trottete neben ihr her, und wann immer jemand in seinem Zorn zu laut wurde, brachte der große schwarze Hund ihn mit einem Blick und einem leisen Knurren zum Schweigen.
Erstes silbernes Licht zeigte sich über den Bergen, als sich Asla mit Yilvina, Kalf, Sigvald und einigen anderen Männern an der Spitze der Kolonne traf, um darüber zu beraten, wann man es wagen konnte, eine kurze Rast einzulegen. Noch immer trug sie das Kettenhemd. Ihr Rücken fühlte sich an, als säße statt des Rückgrats ein brennender Stecken in ihrem Leib. Sie war zu Tode erschöpft und hätte sich am liebsten in ihre Kutsche zurückgezogen, als ein Reiter vor ihnen auf dem Fjord erschien.
Als er den Wagenzug erreichte, hielt er geradewegs auf sie zu. Es war ein junger Mann, dessen Bart und Augenbrauen mit weißen Eiskristallen bedeckt waren. »Wo wollt ihr hin?«
»Wir fliehen vor Trollen, ob du es glaubst oder nicht«, antwortete Sigvald zynisch.
»Das ist mir schon klar«, entgegnete der Reiter. »Aber ihr flieht in die falsche Richtung. Sie kommen doch von Süden. Ein ganzes Heer. Es ist nur zwei Tagesmärsche entfernt. Vor euch sind noch zwei andere Flüchtlingstrecks. Ihr müsst nach Norden! So rennt ihr nur in euer Verderben.«
Asla hatte das Gefühl, als habe man ihr eine Faust in den Magen gerammt. Das konnte doch nicht sein! Die Männer redeten noch kurz miteinander, dann preschte der Reiter weiter, in der Hoffnung, unbehelligt an den Trollen, die im Birkenwald lagerten, vorbeizukommen und nach Honnigsvald zu gelangen, um dort den Jarl zu warnen.
Alle starrten Asla an, als erwarteten sie von ihr, dass ihr sofort eine Lösung einfiele. »Also, was nun?«, fragte sie müde. »Irgendwelche Vorschläge?«
Yilvina, die bisher geschwiegen hatte, meldete sich zu Wort. »Wir müssen vom Fjord weg und dann hinauf in die Berge. Vielleicht finden wir dort einen sicheren Ort. Die Trolle nutzen den Fjord wie eine Heerstraße. Auf dem Eis kommen sie gut voran. Und dank der Städte und Dörfer brauchen sie keine Vorräte mit sich führen.«
»Und wie sollen wir mit den Schlitten in die Berge?«, entgeg-nete Kaff. »Wir müssten sie aufgeben, und einen halben Tag später schon müssten wir die Schwächsten von uns zurücklassen.«
»Auf dem Fjord werden alle sterben«, entgegnete die Elfe ruhig.
»Machen wir uns nichts vor! Was sie sagt, ist wahr«, warf Sig-vald leidenschaftlich ein. »Aber ich kenne einen
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