Elfenwinter
dem Feuerplatz in den Abgrund gerissen hatte. In dieser Stunde der höchsten Verzweiflung hatte sich das verzauberte Tor im Steinkreis geöffnet. Mandred war schlafend nach Albenmark gelangt. Er hatte nie gewusst, was ihn hinübergeholt hatte in die Welt der Elfen und Kentauren. Manchmal behauptete er, es sei ein Baum gewesen, Atta Aikhjarto, eine uralte, beseelte Eiche. Und manchmal, wenn Mandred betrunken gewesen war, hatte er davon gemurmelt, dass er sich bei Atta bedanken werde. Er wollte ein Fest mit der Eiche feiern. Alfadas schmunzelte. Wenn sein Vater Fest sagte, meinte er eigentlich ein Zechgelage.
Ob er seinen verrückten Plan wohl wahr gemacht hatte? Wo Mandred jetzt wohl steckte? Es wäre gut, ihn an seiner Seite zu haben… Alfadas' Lächeln verflog. So war es immer schon mit seinem Vater gewesen. Wenn er ihn brauchte, war er nie da.
Er sah hinüber zu Ollowain, der dicht beim Tor stand. Seit Lyndwyns Tod wirkte der Elfenkrieger gebeugt, auch wenn er sich für die Augen anderer noch immer so aufrecht hielt wie eh und je. Mit versteinerter Miene stand er neben dem Tor, das sich über dem Albenstern geöffnet hatte, und musterte die Männer, die aus dem Nichts traten.
Auf Ollowain hatte er sich immer verlassen können, dachte Alfadas traurig. Wie wenig hatte er seinem Ziehvater dafür zurückgegeben! Er hatte versucht, mit Ollowain über Lyndwyn zu reden, doch der Schwertmeister blieb ganz in sich zurückgezogen. Es war noch nicht die richtige Zeit… Ob er ihn noch einmal wieder sehen würde? Ollowain war mitgekommen, um Emerelle nach Albenmark zurückzubringen. Er würde nicht mehr von ihrer Seite weichen, sobald sie erst einmal unten im Dorf waren. Betäubte es seinen Schmerz, sich an seine Pflicht zu klammern?
Silwyna trat durch das Tor. Der Herzog wandte sich ab und ging auf den Windschutz am Rand der Klippe zu. Seit jener Nacht auf dem Eis, als sie ihm alles erzählt hatte, mied er sie. Sie durften einander nicht mehr nahe kommen! Er sah in den dunklen Fjord hinab. Dort unten lag sein Zuhause. Seine Kinder warteten auf ihn und Asla… Mit ihr würde es niemals sein wie mit Silwyna. Er hatte sie erwählt, um die Wunde zu schließen, die Silwyna ihm geschlagen hatte. Jetzt wusste er, dass sich diese Wunde niemals schließen würde. Es sei denn… Er sah zurück zu der Elfe. Sie drehte sich in seine Richtung, als habe sie seinen Blick wie eine Berührung gespürt. Da war es wieder, das Band, das seit der Nacht auf dem Eis bestand, als hätte es all die bitteren Jahre niemals gegeben. Er durfte diesem Sehnen nicht nachgeben! Asla war ihm immer treu gewesen. Er konnte sie nicht verraten. Er mochte sie… Er hatte ihre scharfe Zunge vermisst. Wahrscheinlich würde sie ihn mit einem Vorwurf begrüßen und ihm dann um den Hals fallen.
Alfadas lächelte wehmütig. Nein, er würde sie niemals verlassen. Sie nicht und auch nicht die Kinder. Silwyna und Melvyn waren stark genug, ein Leben ohne ihn zu führen. Seine Liebe zu der Elfe war wie ein Ozean. Endlos, von wunderbarer Schönheit, zeigte er jeden Tag tausend neue Gesichter und war zugleich voller verborgener Tiefen, beherrscht von jähen Stürmen.
Seine Liebe zu Asla war anders, wie ein kristallklarer Bach, der nahe der Küste in den Klippen entsprang. Sein Wasser rann eilig schäumend dahin. Es war erfrischend. Ohne Geheimnisse. Er kannte die Quelle des Bachs und wusste, an welcher Stelle er sich ins Meer verlor. Sein Lauf war klar. Er war festgelegt. Alfadas schluckte. Er würde zu Asla zurückkehren. Sein Herz war voller Liebe zu ihr, auch wenn diese Liebe die Sehnsucht nach dem Ozean niemals auslöschen würde.
Silwyna nickte ihm zu. Sie hatte ihn unverwandt angesehen. Wieder schien es, als könne sie in seinem Gesicht jeden seiner Gedanken lesen. Er durfte sie nicht ansehen! Mit jedem Blick, den sie tauschten, wurde das Band stärker. Es war nicht recht! Er wandte sich abrupt um und ging die letzten Schritte zu der Bruchsteinmauer. Dort unten am Fjord lag seine Zukunft!
Der Mond stand schon tief am Himmel. Bald würde das kleine Dorf erwachen. Wenn er sich beeilte, konnte er vielleicht neben Kadlins Lager knien, wenn sie die Augen aufschlug. Liebevoll erinnerte er sich an ihr strahlendes Gesicht, mit dem sie ihm so oft den Anfang eines Tages versüßt hatte. Anders als Ul-ric vermochte sie noch keines ihrer Gefühle zu verbergen. Manchmal war sie in ihren Launen so wechselhaft wie eine Frühlingsbrise. Und ihr kleines Gesicht war der Spiegel
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