Elfenwinter
Nun war also geschehen, was sie immer befürchtet hatte. Die Elfen waren gekommen, um ihren Mann zu holen.
VON FREMDEN UND FREUNDEN
Vorsichtig zog Lyndwyn an dem Schilfröhrchen in seinem Hals. Es zwickte leicht, dann glitt es aus der Wunde. Sie legte ihm die flache Hand auf die Stelle. Ihre Finger verströmten eine wohltuende Wärme. Drei Tage hatte sie sich damit Zeit gelassen. Die Magierin behauptete, die Reise auf den Albenpfaden habe sie zu sehr erschöpft. Ollowain glaubte ihr kein Wort!
Lyndwyn nahm die Hand zurück und sah ihn erwartungsvoll an. »Du solltest jetzt wieder sprechen können.« Der Mund des Schwertmeisters war staubtrocken. Er räusperte sich leise. Alle umstanden ihn und sahen ihn an. Er saß auf einem der drei groben Stühle, die es im Haus von Alfadas gab.
Vorsichtig tastete Ollowain über seinen Hals. Lyndwyn hatte die Lederriemen abgenommen. Weder hartes Narbengewebe noch Schorf verrieten, wo sie in seine Kehle geschnitten hatte. Es war, als habe es dieses Schilfrohr nie gegeben. »Es scheint alles verheilt zu sein.« Seine Stimme war rau und erschien ihm fremd.
»Dein Hals muss sich noch ein wenig erholen«, sagte Lynd-wyn selbstsicher. »Deine Beschwerden werden bald vorübergehen. Suche nicht danach, ob etwas mit dir nicht stimmt. Du wirst sehen, es kommt alles wieder in Ordnung.«
Ollowain blickte zu der Schlafnische, in der sie der Königin ein Lager bereitet hatten. Nichts kam in Ordnung! Wie konnte sie nur so reden, solange Emerelle in diesem Zustand war! Die Wunden der Herrscherin verheilten, doch lag sie in einem tiefen Schlaf. Nichts vermochte sie zu wecken. Ihr Schlaf erschien dem Schwertmeister wie eine Flucht vor der grausamen Wirklichkeit. Oder war er das Werk Lyndwyns? Er wusste nicht mehr, was er von der Magierin halten sollte. Ohne ihre Hilfe wären sie niemals hierher in Sicherheit gelangt. Und Silwyna? In ihrem Köcher verwahrte sie Pfeile, die aussahen wie jene, die auf Emerelle abgeschossen worden waren. Jede von beiden hatte ihm auf der Flucht das Leben gerettet. Aber wie sollte es weitergehen? Noch immer sahen ihn alle an. Sie erwarteten Entscheidungen, nun, da er ja wieder sprechen konnte.
Ollowain lächelte. »Ich möchte mich bei unseren beiden Gastgebern bedanken«, sagte er ruhig. »Ich bin mir bewusst, wie sehr unsere Anwesenheit den Frieden deiner Familie belastet, Asla. Wir werden gewiss nicht sehr lange bleiben.«
Die Menschentochter sah ihn mit Augen an, in denen keine Herzlichkeit lag. »Die Gesetze der Gastfreundschaft sind uns heilig. Ihr seid willkommen in diesem Haus.«
Ollowain wusste nicht, was er der jungen Frau getan hatte, doch seit dem ersten Tag spürte er den Widerwillen, den Asla gegen sie empfand. Ob Alfadas so dumm gewesen war, ihr von Silwyna zu erzählen? Gewiss nicht. Doch sie hatten das Leben der Menschenkinder gründlich durcheinander gebracht. Die Leute kamen von weit her, um die seltsamen Gäste zu betrachten, die den Jarl von Firnstayn besuchten. Und Asla musste sie alle bewirten. Der Wintervorrat ihrer Familie schmolz dahin wie Schnee in der Frühlingssonne. Sie hatte allen Grund, wütend zu sein.
»Ich glaube, ich würde jetzt gern ein wenig spazieren gehen. Hättest du etwas dagegen, mich zu begleiten, Alfadas?«
»Nein, Meister. Ganz im Gegenteil.«
Sein Gesicht war noch immer der Spiegel seiner Gefühle. Das hatte Ollowain immer an den Menschen geschätzt. Nur wenige von ihnen konnten sich verstellen.
»Nehmt ihr Kadlin und Ulric mit?« Aslas Worte waren eher ein Befehl als eine Frage. »Und bittet Svenja, dass sie mir für heute Abend noch drei Brote backt. Bringt auch einen Korb voller Äpfel von ihr mit. Dieser Pferdemann frisst einem die Haare vom Kopf!«
»Wie stets sind mir deine Wünsche Befehl«, antwortete Alfa-das gut gelaunt, hob Kadlin auf die Schultern und gab seinem Sohn einen Wink mitzukommen. Auch der große, hässliche Hund folgte ihnen.
Solange sie im Dorf waren, wurden sie von neugierigen Blicken verfolgt. Am Fuß des kleinen Hügels, auf dem Alfadas sein Langhaus errichtet hatte, lagerte ein ganzer Trupp von Schaulustigen. Zum Glück wurden sie von Orimedes unterhalten, der gerade ein Fass hochstemmte und daraus trank. Der Kentaur fühlte sich wohl unter den Menschen. Ganz anders Sil-wyna. Sie war nach dem ersten Abend in die Wälder verschwunden, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, warum.
»Du bist der Meister, der meinem Vater das Schwertkämpfen beigebracht hat, nicht wahr?«,
Weitere Kostenlose Bücher