Elfenzauber (Mithgar 1)
die Tür.
Sie betraten einen langen Saal, dessen Wände von Säulen gesäumt wurden. In die Mauern waren große Kamine eingelassen, doch kein Feuer brannte darin, denn es war Anfang September und der Sommer hatte das Land noch nicht verlassen. Die Wände selbst waren mit Wandteppichen behangen, und an langen Stangen hingen die bunten Flaggen der verschiedenen Lehen Jütlands. Die Anordnung der Flaggen zeigte dabei den Rang der Lehen an. Die Wappen von Herzogtümern hingen über denjenigen von Fürstentümern, die wiederum über denen der Grafschaften und Baronien angebracht waren.
Die Decke wurde von großen Holzbalken getragen, und daran hingen Kronleuchter an Ketten herab. In den Leuchtern brannten Kerzen, denn draußen dämmerte es bereits, und durch die hohen Fenster fiel nur noch Zwielicht.
Zu beiden Seiten des Saales waren auf erhöhten Podesten Banketttische aufgebaut. Unterhalb des Eingangs begann der eigentliche Boden des Saals, der aus einem glatten, polierten Stein bestand und einen ansteigenden Ring bildete. Dieses Amphitheater endete vor vier Stufen, die zu einem breiten Thron führten. Obwohl es in dem Saal von Menschen wimmelte, war der Thron noch nicht besetzt.
Mit Arin an einem und Aiko am anderen Arm sowie Alos im Schlepptau kam Egil neben einem Kammerdiener zu stehen und flüsterte dem Mann ihre Namen zu. Während andere Gäste an ihnen vorbeieilten, deren Namen der Majordomus offenbar bereits kannte, ging der Kammerdiener eine Liste durch und sagte schließlich: »Ah, ja. Da haben wir Euch.«
Er sah Egil an. »Ihr werdet an Baron Stolz’ Tisch sitzen.« Er zeigte auf einen Tisch in der Mitte der linken Seite. »Unter der grünen Flagge mit dem weißen Eber.« Auf Egils Nicken ging der Diener zum Majordomus, der mit dem Stab auf den Boden klopfte und dann rief: »Meine Damen und Herren, verehrte Gäste: die Dylvana Arin aus Darda Erynian; die edle Dame Aiko aus Ryodo; Meister Alos aus Thol und Meister Egil Einauge aus Jord.«
Während sie in den eigentlichen Saal gingen, wandte Arin sich an Egil und fragte beinahe lautlos: »Jord?«
Egil beugte sich zu ihr herab und flüsterte: »Aye. Jütland und Fjordland sind alte Feinde, also wäre es töricht, mein wahres Heimatland zu nennen, wenn ich am Hof des Feindes bin. Daher habe ich ein anderes gewählt. Jord und Fjordland sind Nachbarn, und der jordische Akzent ist meinem sehr ähnlich.«
Sie mischten sich unter die anderen Gäste, und viele Blicke folgten ihnen. Die meisten Anwesenden bekamen große Augen, als sie der in Seide gehüllten Dylvana und der goldhäutigen Kriegerin an ihrer Seite ansichtig wurden. Auf Egil und Alos achteten die Gäste kaum. Ihre Blicke ruhten gerade lange genug auf ihnen, um Egils rote Augenklappe und Alos’ milchweißes Auge zu registrieren, wobei manche verstohlene Schutzgesten machten. Egil betrachtete hingegen alle Gesichter sehr eingehend und sagte zu Arin: »Lass uns einen Rundgang machen, Liebste, denn ich würde gerne Baron Steiger finden. Wahrscheinlich ist er hier, und vielleicht ist ihm mittlerweile eingefallen, wo wir uns schon einmal begegnet sind.«
Langsam schritten sie durch die Menge, und Alos und Aiko blieben dicht hinter ihnen. Sie beschrieben einen vollständigen Kreis durch den Saal, konnten aber Baron Steiger nicht entdecken. »Sollen wir noch eine Runde machen?«, fragte Arin, doch in diesem Augenblick ertönte eine Fanfare.
Der Majordomus klopfte dreimal laut auf den Boden und verkündete mit lauter Stimme: »Ihre Majestät, die Königin!« Die Gäste gingen zu ihren Plätzen, die sich mehr oder weniger unter den zu ihnen gehörenden Flaggen befanden, und bildeten so ein langes Spalier in der Mitte des Saals zwischen Tür und Thron. Egil und Arin führten Alos und Aiko zu einem Platz in der Reihe unter Baron Stolz’ Flagge. Augenblicke später ertönte die Fanfare erneut, der Majordomus klopfte noch dreimal mit seinem Stab auf den Boden und rief: »Meine Damen und Herren, verehrte Gäste: Königin Gudrun die Schöne, Herrscherin über ganz Jütland und die Ryngar-Inseln, und ihr Gemahl, Delon der Männliche.« Dann traten Majordomus und Trompeter beiseite und verneigten sich tief.
Eine hoch gewachsene Frau rauschte durch die Tür. Sie trug ein hellblaues, langärmeliges Seidenkleid mit einem engen Mieder und einem Reifrock. Blonde Haare fielen in Locken auf ihren Rücken, und ihr gepudertes und sorgfältig geschminktes Gesicht war von hellen Ringellöckchen eingerahmt. Eine mit
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