Elfenzauber (Mithgar 1)
schüttelten den Kopf, denn keiner konnte ihm helfen, also setzte Egil seine Wanderschaft fort. Ab und zu blieb er stehen, um die Rianer dabei zu beobachten, wenn sie die Segel neu ausrichteten oder eine leichte Kursänderung vornahmen. Oft blieb er zudem für eine Weile im Bug stehen, als wolle er seinen Blick zwingen, über die funkelnden Wellen zu fliegen und das entfernte Ziel zu entdecken, denn er wollte jetzt unbedingt nach Jütland, wo es vielleicht jemanden gab, der ihn in die Feste seines Feindes führen konnte. Bei anderen Gelegenheiten stand er im Heck nahe beim Ruder und redete leise mit Kapitän Holdar.
»Nein, Egil, ich habe noch nicht von diesem Magier gehört, den Ihr sucht.« Holdar strich sich nachdenklich über das Kinn, das allmählich rote Stoppeln bekam. Der Kapitän der Flyndre war ein kleiner, untersetzter Mann Mitte vierzig, der ein dunkelblaues Wams und eine ebensolche Hose trug, dazu schwarze Stiefel und eine schwarze Lederweste. Seine Haare waren kurz geschnitten und hatten ebenfalls einen rötlichen Schimmer. Die Augen waren blau, und seine Züge ein wenig plump, wie die eines wohlgenährten Kaufmanns, aber sein Blick verriet einen Mann, der bereits vieles gesehen und erlebt hatte. »Mit Magiern und dergleichen habe ich nichts zu schaffen. Vielmehr treibe ich Handel mit Fallenstellern und Kaufleuten und den Pelzhändlern von Gelen.« Holdar hielt inne, als Aiko die Leiter zum Achterdeck erklomm, um ihnen Gesellschaft zu leisten. Und nachdem er der goldhäutigen Kriegerin zugenickt hatte, wandte der Kapitän sich wieder an Egil und sagte: »Außerdem, mein Junge, was sollte ich wohl mit einem Magier anfangen, hm? Ihn bitten, die Flyndre zu verzaubern?«
»Nicht diesen Zauberer, Kapitän. Bei ihm hättet Ihr Glück, wenn Ihr mit dem Leben davonkommen würdet.«
»Ach? Ein Schwarzmagier, aye?«
Egil nickte bedrückt.
»Dann ist es auch besser so, dass ich diesen, diesen…«
»Ordrune«, half Egil aus.
»Aye, dass ich diesen Ordrune nicht kenne. Und ich werde auch künftig einen großen Bogen um ihn machen, wenn es Euch nichts ausmacht. Aber, he, warum sucht Ihr ihn überhaupt, wenn er doch ein Schwarzmagier ist?«
»Ich habe noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen«, sagte Egil mit grimmiger Miene.
Holdars Augen weiteten sich, und er sagte: »Nun denn, mein Freund, da er ein Zauberer ist, gebt Acht, dass Ihr Euch nicht mehr aufladet, als Ihr tragen könnt.«
»Ich habe nicht vor, allein zu gehen, Kapitän, wenn es sich vermeiden lässt. Vielmehr sind die Blutsverwandten von vierzig Fjordmännern erpicht darauf, ihm den Kopf abzuschlagen.«
Aiko spitzte die Lippen, runzelte die Stirn… und rezitierte dann: »Diese nimm mit, nicht mehr, nicht weniger, sonst wird es dir nicht gelingen…«
Egil sah sie an.
Sie begegnete seinem Blick und sagte: »Hier steht mehr auf dem Spiel als Blutrache, Egil Einauge.«
Egil seufzte und nickte, zeigte dann auf die Kabine, wo Arin Alos behandelte, und sagte: »Wir wissen nicht, ob Ordrune hat, was sie sucht. Aber ich werde meine Rache zurückstellen, bis ihre – bis unsere Suche beendet ist.«
Aiko nickte, und in diesem Augenblick kam Arin aus Alos’ Kabine an Deck. Egil und Aiko kletterten die Leiter herab auf das Hauptdeck und gingen zu ihr.
»Er ist endlich in einen natürlichen Schlaf gefallen«, sagte die Dylvana mit einem erschöpften Blick auf die Kabine. Sie tastete nach Egils Hand, als suche sie Trost, und sagte dann: »Was ihm in der Vergangenheit auch widerfahren ist, es muss schrecklich gewesen sein.«
Am zweiten Tag ihrer Fahrt stolperte Alos aus seiner Kabine auf das Hauptdeck der Gyllen Flyndre. Während er sein eines Auge vor der grellen Morgensonne abschirmte, schaute er benommen über das Deck. »Wo, in Garlons Namen, bin ich?«, murmelte er und schrie dann alle und jeden an: »Ich habe gefragt, wo, in Garlons Namen, ich bin.«
Matrosen drehten sich um und starrten den alten, einäugigen Mann an, dessen Kleider schmutzig und zerknittert waren, dessen eines Auge wässrig braun und dessen anderes blind und weiß war. Dann schien Alos plötzlich aufzugehen, dass er sich auf einem Schiff befand, und er brach weinend auf dem Deck zusammen.
Der Erste Maat schüttelte den Kopf und fauchte: »Jan, geh und hol die Elfe. Ihr Schützling hat sich selbstständig gemacht.«
Doch es war die Frau mit der safranfarbenen Haut, die an Deck kam. Sie versuchte, den alten Mann auf die Beine zu stellen, aber er war so schlaff wie ein
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