Elfenzauber (Mithgar 1)
Erwähnung des Hexenfeuers stöhnte Alos und schlug die Hände vors Gesicht, doch weder Egil noch Arin noch Aiko bemerkten die Geste, denn sie schauten in die andere Richtung.
Egils Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Und einer nach dem anderen tauchen die Drachen in diesen furchtbaren Strudel ein, um sich in die Umarmung jener grässlichen Tentakel zu begeben. Jeder Drache wird von einer monströsen Geliebten in die Tiefe gezogen, und beide versinken im wirbelnden schwarzen Schlund unter ihnen, um sich abseits allen Lichts fortzupflanzen.
Später kehren die Drachen irgendwie zurück, schießen durch die dunkle Oberfläche, um sich wieder in die Nachtluft zu schwingen, und nur die Stärksten überleben.«
Egil verstummte, und Kapitän Holdar fügte hinzu: »Es heißt, dass die Nachkommen dieser Paarung Seeschlangen werden, die Langwürmer der Meere, und das glaube ich auch! Denn ich habe mit eigenen Augen einen Meerdrachen gesehen, nicht weiter als eine Tagesreise von hier entfernt.«
Arin sah den Kapitän staunend an. »Aye«, fuhr er fort, »es war eine lange Bestie mit einem gekräuselten Kamm, der sich über den gesamten Rücken zog, und sie hat sich durch das Wasser geschlängelt. Wir sind geflohen, jawohl, und ich schäme mich nicht, es zuzugeben.«
»Aber, Kapitän« – Aiko schaute verwirrt drein – »wenn nur die Seeschlangen aus dieser Paarung hervorgehen, woher kommen dann die Drachen und die Kraken?«
Holdar zuckte die Achseln und sagte: »Ich weiß nur, dass es heißt, sowohl die Drachen als auch die Kraken kämen aus dem Meer.« Er blickte Egil fragend an, doch der zuckte auch nur die Achseln.
Die Dylvana seufzte und meinte dann: »Jene, welche mit den Kindern des Meeres gesprochen haben, sagen, dass…«
»Verzeiht, Dara«, warf Aiko ein, indem sie die Hand hob. »Kinder des Meeres?«
Arin nickte bestätigend. »Kinder des Meeres. Das sind die Verborgenen, die in den Tiefen der Weltmeere leben.«
»Meerjungfrauen, meint Ihr?«, fragte Alos eifrig. »Meerjungfrauen und Meermänner? Leute mit Fischschwänzen anstelle von Beinen?«
Arin zuckte die Achseln. »Ich glaube nicht, Alos, obwohl ich die Kinder des Meeres nie gesehen habe.«
»Aber ich…«, begann Alos protestierend, doch Aiko brachte ihn zum Schweigen, indem sie dem alten Mann ein Kaustäbchen hinhielt. Ein Ausdruck der Bestürzung huschte über die Züge des alten Mannes, doch er streckte zögernd die Hand aus und nahm es.
Während Alos an der Spitze des Stäbchens zu nagen begann, wandte Aiko sich an Arin. »Ich habe Euch unterbrochen, Dara.«
Arin lächelte. »Die Kinder des Meeres erzählen, dass sich die großen Seeschlangen nach Äonen des Schwimmens und Fressens in die dunklen Tiefen eines Grabens begeben, der sich irgendwo im riesigen Sindhumeer befinden soll. Dort, volle neun Meilen unter dem Meer, lassen sie sich auf dunklen Gesimsen in den Wänden des Abgrunds nieder, wo sie sich in einer klebrigen Kokon einhüllen. Der Kokon verhärtet sich zu einem Kristallpanzer, und im Schutz dieses Panzers vollziehen sie eine außerordentliche Verwandlung. Nach einer gewissen Zeit, wenn die Veränderung abgeschlossen ist, wird der Kristallpanzer zerschmettert, und so werden aus manchen Seeschlangen – den Männchen, würde ich meinen – Drachen und aus anderen – den Weibchen – Kraken… Jedenfalls erzählen das die Kinder des Meeres.«
»Nun denn«, sagte Holdar, »ob diese Geschichte nun wahr oder falsch ist, Tatsache oder Fabel, ich meine, dass es sich so oder so ähnlich verhalten muss. Denn bedenkt: Noch nie hat jemand einen jungen Drachen gesehen. Alle scheinen immer bereits ausgewachsen zu sein. Ich glaube auch nicht, dass schon jemals irgendjemand ein Nest irgendwo an Land gefunden hat: Sie scheinen keine Eier zu legen. Und soviel ich weiß, hat auch noch nie jemand einen weiblichen Drachen gesehen: Sie scheinen sämtlich Männchen zu sein.
Was die Kraken betrifft, so kann ich nicht sagen, was sie sind – Männchen oder Weibchen –, aber die Weisen sagen, dass sie sich mit den Drachen paaren, und wer bin ich, dass ich darüber streiten wollte?«
Wiederum senkte sich Stille über sie, da sie über das Wasser auf die ferne Landzunge schauten, die sich vor ihnen undeutlich abzeichnete. Nach einer langen Weile durchbrach Holdar das Schweigen. »Ach, was soll’s. Drachen, Kraken, Seeschlangen – ich kenne mich damit nicht aus. Aber ich weiß, dass schon viele Schiffe in diesen Gewässern untergegangen sind, sei
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