Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
die Wahlwiederholung. Kein Empfang. Darüber brauchte sie sich nun auch nicht mehr zu wundern. Nadja fühlte sich wie verhöhnt. Während sie durch den Mund atmete, um den Gestank etwas zu minimieren, ging sie durch den Durchgang und klopfte gegen die Mauern. Sie hämmerte gegen die Mauer dicht über dem Boden und hoch über ihrem Kopf, so weit sie greifen konnte. Auch die Mauer am Ende überprüfte sie.
Wieder dasselbe Ergebnis. Nichts. Keine Illusion, kein Trug, alles war fest und solide.
Frustriert ging Nadja hinaus, zurück in die schmalen Gassen, von dort aus auf eine größere Straße und hinein ins nächste Bistro. Sie bestellte ein Glas Wein und eilte auf die Toilette, um dort hektisch, mit Brechreiz kämpfend, den Dreck und Gestank der Gosse abzuwaschen. Sie brauchte dazu fast zehn Minuten. Für den Wein nur fünf.
Zurück auf der Straße, versuchte Nadja es erneut bei Robert und hatte endlich Glück.
»Hattest du Erfolg?«, wollte er wissen.
»Frag nicht!« Sie klang aufgebracht, und es war ihr egal. So begriff Robert wenigstens gleich, wie es ihr ging. »Und bei dir?«
»Boy X liegt im Koma auf der Intensivstation. Niemand weiß, was er hat. Charles ist außer sich. Ich habe ihm geraten, die Familie herzuholen, aber er will noch nicht. Die Presse ist noch nicht hier, da keiner weiß, wohin der Junge gebracht wurde. Der Moderator wurde im Studio anscheinend mit allem Möglichen beworfen, weil die Leute immer ungeduldiger wurden und er irgendwann gestand, dass Boy X nicht auftreten werde. Die Erklärung wollte keiner mehr hören, und die Übertragung wurde abgebrochen, als es zum Eklat kam. Ein Karriereknick bei dem armen Kerl, scheint mir, dabei hat er sich Mühe gegeben. Auch für Boy X bedeutet das einen Rückschlag.«
»Ich komme zu dir. Dann überlegen wir weiter. Bis gleich.«
Nadja machte sich auf den Weg zur nächsten Metro. Sie war immer noch wütend und niedergeschlagen. Und vor allem verwirrt. Mit jemandem musste sie darüber sprechen, es musste raus aus ihr. Robert war noch in der Klinik, das ging nicht. Und er war zu tief in die Angelegenheit verwickelt.
Es gab nur einen einzigen Menschen auf der Welt, den Nadja zu jedes Tages- und Nachtzeit anrufen konnte. Sie konnte mit ihm über alles reden. Über wirklich alles.
Nadja aktivierte die Nummer, während sie die Rolltreppe ansteuerte, und blinzelte nervös. Erleichtert hörte sie plötzlich eine weiche Stimme am anderen Ende: »Nadja?«
»Fabio? Was bin ich froh … Papa, ich muss mit dir reden, jetzt gleich. Geht das?«
»Certo, Fiorellina, mein Blümchen. Du klingst sehr aufgeregt.«
Dabei war sie es gar nicht mehr. Allein die Stimme ihres Vaters beruhigte sie und zeigte ihr, dass sie nicht allein war.
»Papa, ich habe einen furchtbaren Tag hinter mir, und er ist noch immer nicht vorbei«, sprudelte es aus ihr hervor. »Weißt du, da ist dieser Junge, Boy X, der plötzlich ins Koma fällt, und da ist dieses Mädchen Rian, ein Model, das …«
»Calma, Nadja«, unterbrach Fabio Oreso aus dem fernen München. »Di mi. Beruhige dich und sag mir alles, aber der Reihe nach.«
»Gern, aber wo soll ich anfangen?« Nadja fuhr sich durch die Haare und funkelte einen älteren Mann bitterböse an, als er sich auf den von ihr anvisierten Platz in der Metro setzen wollte. Die Verbindung war nicht mehr allzu gut, riss aber nicht ab. »Also, pass auf«, fing sie an. »Da war diese Modenschau, zu der Robert und ich sollten, und er fotografierte ein auffälliges junges Mädchen. Auf den Fotos erkannten wir dann, dass sie ziemlich spitze Ohren hat, aber das Erstaunlichste: Ihre Füße berührten den Boden nicht, sondern schwebten ein paar Millimeter darüber. Das fällt einem beim normalen Hinsehen nicht auf, aber in der Vergrößerung. Aber jetzt kommt das Irrste: Da war auch ein Igel mit auf den Fotos, den wir auf der Schau nicht gesehen haben! Er trägt eine rote Mütze. Und er hat getanzt, auf den Hinterpfoten.«
Tiefes Schweigen folgte auf die Eröffnung. Es war fast gespenstisch. Auch in der Metro war es ziemlich still, ganz anders als sonst.
Nadja stand auf und verzog sich in die Ecke bei einem Durchgang. »Fabio, bist du noch da?«
»Natürlich. Eine rote Mütze, sagst du?«
»Ja. Ja, ich weiß, wie verrückt das klingt …«
»Allerdings.«
»Aber es ist wahr, Papa! Robert hat die Fotos als Beweise! Ich meine, ich weiß, mit Photoshop kann man heutzutage alles machen, aber wir sind doch nicht beide auf dieselbe Art verrückt,
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