Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
schlief Nadja bereits.
Um zehn Uhr morgens erwachte sie wieder nach tiefem, traumlosem Schlaf, sprang unter die Dusche, die sie direkt von ihrem Zimmer aus betreten konnte, und zog sich erfrischt und ausgeruht an. Nun fühlte sie sich gewappnet für den Tag.
Auch Paris war auf das Tagesgeschäft vorbereitet; Kälte und Nässe der vergangenen Nacht waren vergessen. Draußen herrschte ein strahlender Septembermorgen, mild und klar. Sogar der Himmel zeigte sich nicht so dunstverhangen wie sonst, und die Sonne warf breite Strahlenfächer durch die großzügigen Scheiben ins Zimmer.
Als Nadja die Tür öffnete und in den Gang trat, traf sie fast der Schlag. Das Wohnzimmer, das Büro – alles war ein einziges heilloses Durcheinander. Überall lagen ihre Kleidungsstücke und anderen persönlichen Gegenstände verstreut, alles war durchwühlt.
Erschrocken rannte Nadja durch die weitläufige Wohnung. Küche und Bad: nichts. Gästezimmer: nichts. Aber der Raum von Robert erwies sich ebenfalls als komplettes Chaos.
Jemand hatte ganz gezielt nach etwas gesucht. Und zwar kein gewöhnlicher Dieb: Soweit Nadja es überblicken konnte, fehlte nichts. Zumindest waren die Bilder und kleinen Statuen noch da, die auf dem Schwarzmarkt ein paar tausend Euro bringen würden. Ein Glück für sie; ihre Freundin wäre ganz schön sauer gewesen.
Nächste Frage: Wo war Robert? Nadja rief ihn über das Handy an und bekam die Mitteilung: »Dieser Anrufer ist vorübergehend nicht erreichbar.« Die Mailbox hatte er selbstverständlich nicht aktiviert. Nadja seufzte, weil sie es von ihm gar nicht anders kannte.
»Ganz ruhig«, redete Nadja sich zu. Dann setzte sie sich erst einmal in einen Sessel, weil ihre Beine schwach wurden. Auch aus ihrem Kopf war bereits das Blut gewichen.
Warum hatte sie nichts von der Durchsuchung mitbekommen? War etwa auch in ihrem Zimmer jemand gewesen? Wahrscheinlich hätte man sie selbst stehlen können, und sie hätte es nicht gemerkt. Was für eine Ohnmacht!
Auf dem Sofatisch lag eine Schachtel Gitanes, und Nadja überlegte sich für einen zitternden Moment, mit dem Rauchen anzufangen. Erneut versuchte sie, Robert zu erreichen, aber sie erreichte nur dasselbe Ergebnis.
Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen!
, rasten ihre Gedanken.
Ihr Verstand spulte bereits die wildesten Phantasien ab, und sie pickte sich diejenige heraus, die am wahrscheinlichsten war: Robert war im Krankenhaus, er besuchte Boy X. Wahrscheinlich hatte der Kollege sogar selbst das Chaos verursacht, weil er wieder einmal etwas verschlampt hatte, was er dringend brauchte. Vielleicht hatte er einen Geistesblitz gehabt.
Wenigstens einen Zettel hätte er hinterlassen können! Und was war mit dem Handy?
Die vernünftige Erklärung wurde zusammengeknüllt und in den Abfall geworfen. An ihre Stelle rückte Dramatischeres, etwa eine Entführung. Oder war Robert vielleicht zusammengeschlagen worden?
An diesem Punkt angekommen, konnte Nadja nicht mehr sitzen bleiben. Sie packte in aller Eile ihre Sachen und stürzte aus der Wohnung. In ihrer Sorge und Verwirrung schlug sie nicht die Richtung zur Metro ein, sondern in alter Gewohnheit den Weg zum Café, in dem Robert und sie normalerweise jeden Morgen frühstückten.
Als sie es merkte, war sie bereits fast dort. Sie stieß einen Fluch aus und wollte umdrehen, da hörte sie eine vertraute Stimme: »Nadja! Bist du schon wach?«
Sie stieß den angehaltenen Atem aus, erleichtert und wütend zugleich. Robert saß am gewohnten Tisch, eine deutsche Tageszeitung in der Hand, die es im Laden nebenan gab, einen großen Milchkaffee und ein Croissant vor sich.
Nadja ließ sich neben ihn an den Tisch plumpsen. Sie schnappte nach Luft, als wäre sie eine halbe Stunde lang gerannt.
»Was ist denn los?«, fragte er erstaunt. »Du bist ja ganz blass …«
»Was los ist?«, unterbrach sie ihn. »Ich werde dir sagen, was los ist!« Und dann erzählte sie ihm, was in der Wohnung oben geschehen war. »Und warum bist du per Handy nicht erreichbar?«
Robert zog ein schuldbewusstes Gesicht. »Tut mir leid, ich habe vergessen, dir einen Zettel hinzulegen. Mein Handy lädt gerade den Akku, es war total leer, weil ich es nicht ausgeschaltet hatte. Aber an dem Durcheinander bin ich schuldlos.«
»Und du bleibst die Ruhe in Person! Ja kapierst du denn nicht?« Nadja tobte geradezu, auch wenn sie ihre Stimme im Zaum hielt. »Wann bist du aus der Tür gegangen?«
»Etwa halb neun. Ich konnte nicht mehr schlafen. Aber
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