Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
nicht weit genug ins Schattenland hineinblicken, immer nur ein kurzes Stück. Danach entzog sich alles seinen Blicken, sollte er nicht selbst von den Schrecken gebannt werden. Und nun war das Portal ganz geschlossen.
Die Dunkle Königin hatte stets weit vorausgeplant und alle Möglichkeiten einbezogen. Fanmór wusste es nicht, und keiner der Crain ahnte, dass Bandorchus Macht sich bereits aus dem Schattenland tastete. Dass sie nicht völlig isoliert bis ans Ende aller Tage dahinvegetieren würde, sondern dem Moment ihrer Flucht Schritt um Schritt näher kam. Fanmór hatte die Macht der Dunklen Frau unterschätzt.
Der Getreue schob den furchtsamen Gedanken an die Sterblichkeit beiseite; die Königin würde eine Lösung finden. Wer einen Weg aus dem Schattenland fand, den konnte der Tod nicht aufhalten. Er setzte sich wieder in gelassener Haltung. »Was unternehmen sie?«
»Sie haben Kundschafter in die Menschenwelt ausgeschickt, um den Quell der Unsterblichkeit zu finden.«
»
Was?
«
Bandorchu nickte. Sie stützte den Kopf leicht auf ihre Hand. »Damit du erkennst, wie verzweifelt sie sind: Fanmór hat seine eigenen Kinder auserwählt.«
»Seine Kinder«, flüsterte er. »Er hat Crain-Nachkommen?« Damit rückte der Thron der Crain in noch weitere Fernen.
»Ja.
Zwillinge
. Rhiannon und Dafydd. Sie sind noch jung … sehr jung, denn sie wurden erst nach dem Krieg geboren.« Der Tonfall der Königin wurde eindringlich. »Sie sind etwas ganz Besonderes. Ich will sie haben.«
»Aber natürlich, meine Königin.« Nun begriff er. »Aber was hat es mit dem Quell der Unsterblichkeit auf sich? Meines Wissens nach ist das nur eine Legende der Menschen.«
»Das ist meine Überzeugung und sicher ebenso Fanmórs. Es gibt keinen Beweis, dass der Quell existiert. Es gibt aber auch keinen Gegenbeweis. Und ich bin derselben Ansicht wie die Crain, dass wir nach jedem rettenden Halm greifen müssen. Schließlich sind wir selbst ein Mythos in der Menschenwelt und trotzdem wahr.« Die Königin erhob sich. »Ich muss nun viel von dir verlangen, mein Getreuer, da ich das Schattenland noch nicht verlassen kann. Aber du vermagst es, denn du bist mir damals freiwillig ins Exil gefolgt.«
»Ja, Gebieterin.«
»Hast du es noch nicht bereut?«
»Wie könnte ich«, antwortete der Getreue unerwartet sanft und stand ebenfalls auf. Es gehörte sich nicht, sitzen zu bleiben, und diesmal wollte er sich ans Protokoll halten. Die Höflichkeit gebot es, nachdem er sich zuvor ohnehin vergessen hatte. »Ich lebe, um Euch zu dienen. Das ist alles, wonach ich strebe.«
»Aber wir werden uns trennen müssen«, sagte Bandorchu. »Wir werden uns sehen und sprechen, aber wir werden uns nicht mehr nahe sein.«
»Tage werden folgen, an denen es anders sein wird. Viele, lange Tage unter einem freien Himmel.« Er wagte einen Schritt auf sie zu und merkte, dass sie nichts dagegen hatte. »Dafür werde ich sorgen. Sagt mir, was ich tun soll.«
Sie nickte. Die schweren Falten ihres Kleides knisterten, als sie sich leicht bewegte. »Du wirst in die Menschenwelt gehen und die Verfolgung der Crain-Zwillinge aufnehmen!«, befahl sie. »Finde heraus, ob es einen Quell der Unsterblichkeit gibt. Du musst ihn vor ihnen bergen. Die Zwillinge bringst du dann zu mir, und zwar lebend. Sie besitzen ein gewaltiges Machtpotenzial, das ich nicht ungenutzt lassen werde.«
»Gewiss, Herrin, wie Ihr wünscht. Aber das ist sicher noch nicht alles.«
»Du bist klug.«
Natürlich war das noch nicht alles. Königin Bandorchu war sterblich wie der Getreue, wie jeder im Schattenland und wahrscheinlich in der ganzen Elfenwelt. Doch gerade jetzt brauchte sie alle ihre Kräfte. Daher musste sie ein Potenzial nutzen, das ihre Sterblichkeit verlängerte und ihr Kraft spendete.
»Ich brauche Bastionen in der Menschenwelt«, fuhr Bandorchu fort. »Bevor ich in mein Reich zurückkehren kann, muss ich Refugien schaffen, zu denen ich mich zurückziehen kann. Den Kampf gegen Fanmór muss ich diesmal anders führen. An den Knotenpunkten der Kraftfeldlinien musst du meine Zauberstäbe manifestieren, die ich dir mitgeben werde. Wenn sie alle angebracht sind, bilden sie ein verbundenes Netz wie das einer Spinne, und ich werde frei sein – und Herrscherin der Menschen. Mit meiner Macht, die ich aus den Knotenpunkten schöpfe, kann ich sie unterjochen, ohne dass sie etwas dagegen tun können. Sie werden unsere Diener sein, meine Armee. Dann erst richte ich meine Aufmerksamkeit auf mein
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