Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
auf der Wiese stand und wartete, senkte sich die Zugbrücke. Hundegebell ertönte hinter den Mauern, kam jedoch nicht näher.
Wieder vergingen mehrere Minuten; nichts rührte sich hinter dem offenen Tor. Plötzlich, einer hellen Erscheinung gleich, tauchte Viviane unter dem Torbogen auf.
Merlin machte einen Schritt nach vorne und blieb wieder stehen. Langsam, wie eine Braut, die zum Altar schritt, kam Viviane ihm entgegen. Ihre Schritte waren auf der Zugbrücke ebenso wenig zu hören wie auf dem kurzen Gras davor.
Rian trat neben David und schmiegte sich an ihn. In ihren Augen standen Tränen der Rührung, und nun erst bemerkte er, wie nahe ihm diese Szene selbst ging. Er tastete nach Rians Hand und drückte sie.
Etwa drei Schritte voneinander entfernt blieben Viviane und Merlin stehen und sahen sich an. Dann, endlich, glitt ein Lächeln über Vivianes Gesicht. »Willkommen zu Hause«, sagte sie. Obwohl sie leise gesprochen hatte, hallte ihre Stimme über die gesamte Wiese, wurde von jedem Grashalm, von jedem Stein, von jedem Busch aufgenommen und verstärkt, bis sie klang wie das ferne Läuten von silbernen Glocken.
Merlin neigte das Haupt. »Ja«, antwortete er schlicht, und das eine Wort mischte sich in das Klingen. Eine große Bronzeglocke, die sich über die silbernen erhob. »Ja«, wiederholte er. »Jetzt bin ich zu Hause.«
Gofannon saß in einer der Wachstuben der neuen Festung und würfelte mit den dort anwesenden Mantikoren um ein paar Münzen. Solange an Bandorchus neuer Behausung gebaut wurde, bestand das Leben ihrer Soldaten aus nicht viel mehr als aus Schwertübungen und Langeweile, und so fand der dickliche Gott immer ein paar willige Gegner, die bereit waren, gegen ihn ihren mageren Sold zu verspielen.
Der Getreue wusste, dass Gofannon versuchte, ihm aus dem Weg zu gehen. Kein Wunder, immerhin hatte der dickliche Gott in Bandorchus Schlafgemach versucht, ihn zu ermorden. Ihn! Zorn durchflutete den Getreuen, sobald er nur daran dachte, und genau das war der Grund dafür, dass er dem Gott seitdem so weit wie möglich aus dem Weg gegangen war. Wenn er ihm gegenübergestanden hätte, da war er sich sicher, hätte er ihm den fetten Hals umgedreht. Natürlich nicht ohne ihn vorher noch ein paar hübsche kleine Foltertricks spüren zu lassen. Aber der Verhüllte wusste auch, dass er Gofannon irgendwann vielleicht noch einmal brauchte. Deshalb hatte er versucht, eine Konfrontation zu vermeiden. Dass der Gott seinerseits ebenfalls nicht besonders erpicht darauf gewesen war, ihm zu begegnen, hatte die Sache wesentlich erleichtert.
Bandorchus Helfer war über jede Bewegung, jeden Aufenthaltsort Gofannons informiert. Nun, da der Moment gekommen war, an dem er seine Dienste benötigte, machte er sich auf den Weg zur Wachstube der Mantikore.
Stolpernd kam Gofannon auf die Füße, als der Getreue in der Tür erschien. Sein feistes Gesicht verlor jedes bisschen Farbe, und es bereitete dem Getreuen großes Vergnügen, ihn ein wenig in seiner Angst schmoren zu lassen.
»Gofannon, mein Freund«, sagte er mit einer Stimme, der die Falschheit anzuhören war.
Der Gott wich bis an die Wand zurück. »Ich … ich wollte …« Nichts war mehr von dem mühsam unterdrückten Zorn übrig, den der Anblick der dunklen Kapuze früher in seinen Augen geweckt hatte. Seit der Getreue ihm in Bandorchus Schlafgemach die Kräfte ausgesaugt hatte, um selbst nicht sterben zu müssen, hatte sich Gofannons Haltung in die eines kleinen, kriecherischen Hündchens verwandelt.
Zum Spaß streckte der Getreue die Hand nach dem Gott aus. Gofannon unterdrückte nur mühsam ein panisches Winseln.
Hündchen!
, dachte der Dunkle verächtlich.
Nein. Köter trifft es weitaus besser. Räudiger, winselnder Köter. Abschaum!
Trotz dieser Gedanken redete er weiterhin freundlich mit dem dicklichen Gott. »Ich benötige deine Hilfe, Gofannon.«
»Hi… Hilfe, Herr?« Die Speckschwarte an Gofannons Hals begann zu wackeln, als er heftig schluckte.
»Hilfe, Gofannon.« Der Getreue stellte sich vor, was in den Gehirnwindungen des Gottes vorgehen mochte. Falsche Freundlichkeit verstärkte die Angst seiner Opfer, das hatte er in jahrelanger Praxis herausgefunden. Die Katze spielte mit der Maus, bevor sie sie verschlang, weil es ihre Natur war. Boshaftigkeit war immer ein interessanter Aspekt, und das Spiel mit seinen Opfern bereitete dem Verhüllten beinahe körperliche Lust.
»W… was für Hilfe, Herr?«
Der Getreue trat neben den Gott, beugte
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