Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
als das von Conan, und es lagerte genau an derselben Stelle. Erneut lag der Menhir zwischen zwei verfeindeten Gegnern! Mitten auf einem Schlachtfeld, das aus beiden Richtungen misstrauisch von den Spähern beäugt wurde. Nie im Leben konnten David und Rian unbemerkt dort hingelangen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als auf den Einbruch der Nacht zu warten.
Der letzte Vollmond war erst vier Tage her und die Nacht noch viel zu hell für Davids Geschmack, aber sie hatten keine andere Wahl. Sie mussten versuchen, unter den Blicken von Belagerern und Belagerten hindurch zum Menhir zu gelangen. Mit einem Pferd und mit einem erwachsenen, schlafenden Mann auf einer Trage dahinter!
»Das wird nichts!«, behauptete Rian erneut. David beachtete sie nicht, sondern prüfte noch einmal die Riemen, mit denen Merlins Trage an seinem Sattel befestigt war.
»Los geht’s!«, sagte er und griff nach den Zügeln.
Das Pferd folgte ihnen willig, wenngleich seine Hufe auf dem festgetrampelten Boden deutlich hörbare Geräusche verursachten, und auch die Enden der Trage glitten nicht lautlos über die Erde. Das Schlimmste war jedoch, dass sie auf der Ebene im Mondlicht weithin sichtbar waren, obwohl sie sich, so gut es ging, von einem der niedrigen Büsche zum nächsten arbeiteten. Sie waren sich der Blicke, die ihnen von der Stadtmauer aus zugeworfen wurden, sehr bewusst und rechneten jederzeit damit, dass ein abgeschossener Pfeil ihre Mission – und ihr sterbliches Leben – an Ort und Stelle beendete.
Doch zu ihrer Überraschung geschah nichts.
»Sie wissen nicht, was sie von uns halten sollen«, vermutete David flüsternd. Trotz der nächtlichen Kühle lief ihm der Schweiß in Strömen über Brust und Rücken.
Als David und Rian jenen Ort erreicht hatten, an dem in ihrer fernen Zukunft der Parkplatz lag, konnten sie den Menhir sehen. Rian legte eine Hand auf Merlins Brust, weil der schlafende Zauberer angefangen hatte, den Kopf hin und her zu werfen. Das hatte er in den letzten Tagen schon häufiger getan, aber niemals war es ein Zeichen dafür gewesen, dass er aufwachte. Es schien eher, als sei er in einem anhaltenden, furchtbaren Albtraum gefangen, aus dem er sich nicht befreien konnte.
Auch den Rest des Weges legten sie unbehelligt zurück, und als sie am Menhir ankamen, hatten sogar die Götter ein Einsehen mit ihnen. Der Mond bezog sich mit ein paar Wolken, und es wurde deutlich dunkler. Im Schutz dieser Dunkelheit lösten Rian und David die Riemen, mit denen sie Merlin auf der Trage festgebunden hatten, und luden sich den reglosen Mann auf die Schultern.
Seite an Seite taumelten sie unter seinem Gewicht auf den Stein zu. Wie vor Merlins Eiche blieben sie nebeneinander stehen und fassten sich an den freien Händen. Die Finger ineinander verschlungen, berührten sie den Menhir.
David wusste sofort, dass es nicht funktionieren würde.
Die Oberfläche des Steins fühlte sich nur ein kleines bisschen warm und lebendig an, nicht im Entferntesten so wie bei ihrer Ankunft. Dennoch wurde dem Elfen schwindelig. Die Gegend verschwamm kurz vor seinen Augen, und als er wieder klar sehen konnte, blickte er abermals auf die von Conans Angriff zerstörte mittelalterliche Stadt. Offenbar hatte der Menhir sie alle wenige Stunden in die Zukunft geschickt. Im Osten färbte sich der Himmel bereits rot, die Sonne würde in wenigen Minuten aufgehen.
Und direkt hinter ihnen, keine zehn Schritte von ihnen entfernt, befand sich die vorderste Reihe von Wilhelms angriffsbereitem Heer.
Genau in diesem Moment brach rings um sie herum das Chaos aus.
»Angriff!«, hallte eine laute, weithin hörbare Stimme über die Ebene, und der Ruf wurde erst aus wenigen, dann aus Hunderten von Kehlen aufgenommen und verstärkt.
Wie eine Lawine setzte sich das Heer in Bewegung, geradewegs auf die belagerte Stadt zu. Soldaten zogen ihre Schwerter, Berittene gaben ihren Pferden die Sporen, Bogenschützen spannten die Sehnen ihrer Waffen, auf denen bereits wartend die Pfeile lagen. Das Ganze geschah mit unglaublicher, militärischer Präzision und wurde untermalt von einem anschwellenden Ton, der in Davids Ohren klang wie das unterdrückte Stöhnen eines riesenhaften, aus dem Schlaf erwachenden Tieres.
Zu ihrem Glück waren die Reiter, die die vorderste Front bildeten, so sehr auf die Erstürmung der Stadt fixiert, dass sie Rian, David und ihren schlafenden Begleiter kaum wahrnahmen. Wie ein Wasserstrom vor einem Felsen teilte sich ihr Haufen vor dem
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