Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
hinein.
Eleanor musste lächeln. Obwohl sie und ihre Mutter nur einfache Mägde waren, ging es ihnen weitaus besser als den meisten anderen Bewohnern des kleinen Dorfes am Fuße des berühmten Klosters. Deren übliche Morgenspeise war mit Wasser gekochtes Getreide, von Butter konnte jedoch keiner von ihnen auch nur träumen.
Tief sog sie den Duft des Breis in sich ein, griff nach dem kleinen Holzbecher, in dem Gytha ihren Honig aufbewahrte, und drehte ihn zwischen den Fingern. Manchmal gab es in ihrer Küche sogar Fleisch. Zwar nicht das gute gebratene, das Hamo, der Wirt des einzigen Gasthauses auf Le Mont und ihr Herr, seinen reichen Gästen servierte, sondern meist ein dickes Stück Bauchspeck oder eine Beinscheibe vom Rind. Aber es eignete sich stets hervorragend, um daraus eine schmackhafte Suppe zu bereiten.
Eleanor hatte keine Ahnung, woher diese Kostbarkeiten stammten. Zunächst hatte sie vermutet, Gytha müsse irgendwo auf der Insel einen einflussreichen Gönner haben, der sie mit diesen Dingen versorgte, einen der höhergestellten Mönche zum Beispiel. Aber solange Eleanor denken konnte, war ihre Mutter allen Fragen danach geschickt ausgewichen und ihre Tochter somit indirekt ermutigt, sich eine eigene Erklärung dafür auszudenken.
Genauso, wie Eleanor sich eine über ihren Vater ersonnen hatte. Sie war ohne Vater aufgewachsen, ja, sie hatte nicht einmal einen blassen Schimmer, wer ihr Vater überhaupt war – ein weiteres Geheimnis, das Gytha gut vor ihr zu hüten wusste. In Eleanors Phantasie war ihr Vater einer der reichen Pilger, die den Mont-Saint-Michel besuchten, um dort Ablass für ihre Sünden zu erhalten. Ein Herzog vielleicht, aus der Normandie oder der Bretagne, vielleicht auch aus einer der Ländereien weiter im Süden. Dieser Mann hatte auf seinem Weg durch das Dorf Gytha getroffen und sich Hals über Kopf in sie verliebt. Da er jedoch verheiratet war, musste er die Liebe seines Lebens wieder verlassen, was er unter Tränen getan hatte. Denn inzwischen war Gytha von ihm schwanger gewesen. Er hatte ihr geschworen, für sie zu sorgen, und das tat er seitdem, jedes einzelne der siebzehn Jahre lang, die seit Eleanors Geburt vergangen waren.
»Na, schwebst du schon wieder mit dem Kopf in den Wolken?« Gythas gutmütige Frage riss Eleanor aus ihren Gedanken.
»Nein!«, beeilte sie sich zu versichern.
Gytha lächelte, nahm die beiden Schüsseln, füllte sie mit dem fertigen Brei und stellte sie zurück auf den Tisch. Dann setzte sie sich zu ihrer Tochter, und während die beiden Frauen den Kopf senkten, um das Tischgebet zu verrichten, lugte Eleanor unter ihren Haarsträhnen hervor ins Gesicht ihrer Mutter.
Wo sie selbst eine blasse, samtweiche Haut hatte, wirkten Gythas Züge eher grobporig und rau. Die Haare der älteren Frau waren früher einmal dunkelbraun gewesen, inzwischen allerdings fast vollständig ergraut und hatten kein bisschen Ähnlichkeit mit Eleanors eigenen rötlichen Locken.
»Amen!« Gytha bekreuzigte sich und griff nach ihrem Löffel. Eleanor tat es ihr gleich. Nein, dachte sie bei sich, sie sah ihrer Mutter überhaupt nicht ähnlich.
»Worüber grübelst du?«, fragte Gytha.
Eleanor gab etwas Honig auf ihren Brei und nahm einen Bissen. Die geschmolzene Butter legte sich wie Samt auf ihre Zunge. Sie schluckte. »Nichts«, erwiderte sie, aber sie konnte Gytha ansehen, dass sie ihr nicht glaubte. »Nur über meinen Vater«, sagte sie darum.
Gytha verdrehte die Augen. »Lauter Grillen in diesem hübschen Kopf! Du solltest dich lieber mit wichtigeren Dingen beschäftigen.«
Eleanor wusste, was sie damit meinte.
Wichtigere Dinge
gab es nach Gythas Meinung nur zwei. Erstens: Wann würde Eleanor endlich heiraten? Und zweitens: Wen?
Sie seufzte. »Rousel ist ein Idiot!«, rutschte es ihr heraus. Rousel war der Sohn von Wirt Hamo. Er hatte seit Längerem einen Blick auf Eleanor geworfen und schien auch nicht abgeneigt zu sein, eine Heirat in Betracht zu ziehen – ungeachtet der Tatsache, dass sie nur eine einfache Dienstmagd war.
»Rousel ist der Erbe des gesamten Hofes mit dem Gasthaus«, erinnerte Gytha sie. »Er wird gut für dich sorgen können.«
»Mag sein, aber …«
»Nichts
aber!
Komm mir bloß nicht wieder mit diesem Unfug von Liebe und so!« Gytha klopfte mit ihrem Löffel auf die Tischplatte.
»Aber ich liebe ihn nicht«, wandte Eleanor ein.
»Liebe ist was für Dummköpfe! Eine kluge Frau sucht sich einen guten, ehrlichen Mann.«
»Wie Rousel!« Fast
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