Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
doch er bedauert, dass er an diesem Kampf nicht teilnehmen kann. Das Gefüge, sagte er, geriete vollends aus den Fugen, griffe er in das fragile Gleichgewicht ein. Er will aber versuchen zu bewahren, was gehalten werden kann.«
Fanmór richtete sich langsam auf und strich die langen Haare zurück. Noch immer sah er grau und müde aus, doch seine glimmenden Augen waren hellwach und klar.
»Das bedeutet, der Sturm bricht bald aus«, sagte er ruhig.
Die Blaue Dame nickte. »Nichts kann ihn mehr verhindern. Doch jemand hat den Ort bestimmt, wo er stattfindet: Island.«
»Dann … dann ist Nadja dort?«, fragte Pirx.
»Ja. Und auch Rhiannon und Dafydd, die Merlin dorthin geschickt hat.«
Der kleine Pixie blickte zu seinem Herrscher hoch. »Worauf warten wir noch?«
Fanmór nickte. »Regiatus, gebt den Kriegern den Befehl: Es ist so weit. Sobald das Heer aufgestellt ist, brechen wir nach Island auf.«
8 Der Amerikaner und der Schotte
Die Party war vorüber. Saul Tanner musste zugeben, dass Darby O’Gill durchaus noch Praktiken kannte, die ihren speziellen Reiz hatten. Das Zweckbündnis zwischen den beiden ungleichen Männern brachte viele Gemeinsamkeiten hervor, die sie während des Fluges nach Island ausgiebig genießen konnten.
Tanner war sich allerdings im Klaren darüber, dass ihre Zusammenarbeit in dem Moment enden würde, in dem sie Nadja Oreso fanden und in ihre Gewalt brachten. Denn jeder wollte die junge Frau für sich beanspruchen. Daraus einen Kompromiss auszutüfteln würde nicht einfach sein. Darby erwähnte diesen ausstehenden Konflikt nicht; er ging wohl davon aus, dass Tanner als sterblicher Mensch ohnehin nicht viel gegen ihn ausrichten konnte.
Wenn er sich da mal nicht täuschte. Tanner hatte viel Erfahrung mit Mystizismus und Spiritualität, und er wusste, dass die Macht der Elfen Regeln unterworfen war. Einige dieser Regeln würden Anwendung finden, sobald Darby auch nur daran dachte, seinen Partner auszuschalten.
In jedem Fall war Tanner vorbereitet und hatte sich schon einiges zurechtgelegt, was er ausprobieren würde. Die magischen Ströme von Island mochten ihm dabei eine Hilfe sein. Diese Insel bildete eine zentrale Machtposition in der Anderswelt; man sagte, dass sie zum Teil in Annuyn verankert sei, dem Todesreich der Elfen. Alle großen Sagen des Nordens hatten auf ihr ihren Ursprung, und ebenso war die Götterwelt zum Teil dort beheimatet. Die Ausläufer von Niflheim mochten ebenfalls an Island grenzen, wenn nicht sogar darüber hinausgehen.
Darby O’Gill unterschätzte Tanner wahrscheinlich, weil der »nur einer dieser Amerikaner war, deren Bildung über Europa sich normalerweise im Eiffelturm und dem Oktoberfest erschöpfte«. Ein Vorurteil, das gar nicht mal so unberechtigt schien für ein Land, in dem etwa achtundzwanzig Prozent der Bürger Analphabeten waren.
Der studierte Geschäftsmann jedoch sah sich mehr als Weltbürger, der lediglich seinen Sitz in New York hatte. Den Großteil des Jahres verbrachte er auf Geschäftsreisen und hatte dabei bisher über vierzig Länder kennengelernt. Nie hatte er sich nur in Konferenzräumen aufgehalten, sondern sich stets über den kulturellen Hintergrund seiner Geschäftspartner informiert. Damit ließen sie sich besser einschätzen – und ausnehmen.
Tanner zog das Pillenröhrchen aus der Tasche, schüttete eine Tablette auf die Handfläche und spülte sie mit Whisky hinunter. Seit dem Abflug von Bratislava befand sich sein Alkoholpegel auf einem stetigen Niveau von etwa eineinhalb Promille. Gerade genug, um den Schmerz zu dämpfen, aber nicht zu viel, um völlig betrunken zu sein.
Seine Zeit lief rasend schnell ab, da brauchte er sich nichts vorzumachen. Der Krebs befand sich im Endstadium. Deshalb musste Tanner schleunigst ans Ziel kommen, bevor er handlungsunfähig wurde. Vor allem Darby durfte seine Schwäche nicht bemerken, sonst wurde er womöglich vorzeitig abserviert.
Zum Glück hatte der Elf derzeit ohnehin anderes zu tun. Er hatte mindestens zwei Whisky- und mehrere Champagnerflaschen geleert, während er sich mit den Mädchen vergnügte. Seine Potenz war unglaublich, das musste Tanner neidvoll anerkennen. Er brauchte kaum eine Pause, in der er als blendender Unterhalter launige Geschichten zum Besten gab, bevor er weitermachte. Seine Gier schien dabei eher noch zu wachsen, und Tanner fragte sich mehr als einmal, ob er diese spezielle Geschäftsbeziehung nicht besser beendet hätte.
Der Unternehmer hatte eine Menge
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