Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs - Kern, C: Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs
Feuer.«
Erst als Nadja die Wärme der Flammen spürte, bemerkte sie, wie kalt es an diesem Ort war. Alle Menschen, die sie sah, trugen Pullover oder Jacken, einige hatten sich zudem in Decken eingehüllt.
Sie blickte sich genauer um. Zwischen aufgeplatzten Kacheln hingen Schilder, die mit Zahlen- und Buchstabenkombinationen beschriftet waren und Nadja nichts sagten. Tunnel und Türen führten in weitere Bereiche.
Schlafsaal Eins
, stand auf einer Tür,
Bereitschaft
, auf einer anderen.
»Das ist ein Bunker, oder?«, fragte Nadja, nachdem zwei Jugendliche Platz gemacht hatten, um die Neuankömmlinge ans Feuer zu lassen. Der Boden war mit alten aufgerissenen Kartons bedeckt. Nadja setzte sich auf einen, Robert auf einen anderen. Anne zögerte sichtlich, bevor sie sich zwischen Emma und Nadja auf dem letzten freien Platz niederließ.
»Ja, eines der letzten großen Berliner Geheimnisse, sagt Krone. Der Ort, an den die kommen, denen oben alles zu viel wird.« Emma nahm eine Flasche Bier an, die ihr jemand reichte, und trank einen Schluck. »Über uns ist Ostberlin. Krone hat den Bunker entdeckt, als er kurz vor der Wende versuchte, in den Westen abzuhauen. Die Räume hier stammen aus dem Zweiten Weltkrieg, aber es gibt Verbindungen zu anderen Gangsystemen, die viel älter sind, zu U-Bahn-Stationen und Gleisen, die nie ans Netz angeschlossen wurden, und zu noch seltsamerem Zeug. Krone glaubt, tief unten gäbe es eine ganze Stadt, irgendetwas Irres aus der Steinzeit oder so, hat aber nicht danach gesucht.«
»Warum nicht?« Nadja sah am Feuer vorbei in einen der dunklen Gänge hinein. Die Schwärze waberte, schien sie zu locken.
»Wegen der anderen«, sagte der Jugendliche, der neben Emma saß. Er war vielleicht vierzehn Jahre alt, pummelig und hatte einen kahl geschorenen Kopf.
»Hör auf mit dem Schwachsinn, Mike«, widersprach sein Nachbar, der ihm wie ein Bruder ähnelte. »Es gibt keine Anderen.«
»Klar gibt’s die. Frag mal Krone.«
»Glaubst du jeden Scheiß, den der erzählt?«
Mike schüttelte den Kopf und seufzte. Er schien die gleiche Diskussion schon einige Male geführt zu haben.
»Was sind das für andere?«, fragte Anne. Sie sprach nicht laut, aber alle wandten sich ihr zu, sobald sie ihre Stimme hörten.
»Hirngespinste«, antwortete Emma, bevor Mike etwas sagen konnte. »Krones Entschuldigung dafür, dass er nie den Mut hatte, seine Stadt zu suchen.«
»Das stimmt nicht.« Mike beugte sich vor. »Ich hab sie auch gesehen, und ich war nicht bekifft.«
»Ausnahmsweise«, murmelte jemand auf der anderen Seite des Feuers. Alle lachten, sogar Mike.
»Sie leben tief in den Tunneln«, fuhr er fort, »und kommen nie nach oben. Nie. Ich bin ihnen begegnet, als ich mich mal verlaufen habe. Damals war ich tief unten, wo überall Schutt liegt. Über mir konnte ich die U8 fahren hören und dachte, wenn ich der Linie folgte, käme ich schon irgendwann wieder nach oben. Und auf einmal standen sie da. Hab mich voll erschrocken und fast die Taschenlampe fallen lassen. Sie haben nichts gesagt. Die sahen krass aus, so wie die Typen in dem Horrorfilm, wo der Würfel am Anfang den einen Typen durchhaut.«
»
Cube
«, schlug eine junge Frau vor.
»
Hellraiser
«, widersprach Robert.
Mike nickte. »Ja, genau,
Hellraiser
. War ein heftiger Film.«
»Was geschah weiter?« Nadja spürte, wie die Journalistin in ihr erwachte.
»Nichts. Ich bin sofort abgehauen, gab ordentlich Fersengeld. Irgendwann ging’s wieder nach oben, und ich kam am Gesundbrunnen raus. Aber die Typen waren da unten, Krücke, ehrlich. Die hab ich mir nicht eingebildet.«
»Ja, klar.« Der Junge neben ihm, den er als Krücke angesprochen hatte, hob die Schultern. »Bau mal einen. Vielleicht sehe ich sie dann ja auch.«
Gelächter antwortete ihm. Mike presste die Lippen aufeinander, griff in die Innentasche seiner Lederjacke und zog ein Päckchen Tabak und eine kleine Tüte heraus. Mit gesenktem Kopf machte er sich an die Arbeit.
Nadja hätte ihn gern noch mehr gefragt, aber sie ahnte, dass er nicht mehr sagen würde, zumindest solange die anderen dabei waren. Sie bedauerte das, denn eine weitere Gelegenheit würde sie wohl nicht bekommen.
»Wie seid ihr eigentlich aus Island in die Tunnel gekommen?«, fragte Emma.
»Island?«, erklang eine Frauenstimme jenseits des Feuers. »Da ist doch ein Vulkan ausgebrochen.«
»Was weißt du darüber?« Annes Worte klangen nicht wie eine Frage, eher wie ein Befehl.
Die Frau, deren Gesicht vom
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