Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs - Kern, C: Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs
würde, bis das Verlangen ihre Angst überstieg.
Sie ließ sich von Anne durch den Gang ziehen. Robert folgte ihr, achtete darauf, dass niemand sie von hinten angriff. Sogar die Wiedergänger drehten sich nach ihr um und streckten gierig die Arme aus. Die Werwölfe, die an der Tür standen, trieben sie mit Stöcken zurück.
»Catan!«, rief Anne, als sie in dem Lagerraum stehen blieben. »Ich habe etwas für dich.«
Er tauchte im Türrahmen auf, lautlos und geschmeidig. Die bernsteinfarbenen Augen in seinem Pantherkopf musterten Nadja nur einen kurzen Moment, bevor sie sich auf Anne richteten.
»Was für eine interessante Überraschung«, sagte er, ohne überrascht zu klingen. »Er sagte, du würdest kommen, aber ich habe gezweifelt.«
»Wer sagte das?«, fragte Robert.
Catan ignorierte ihn. Seine Aufmerksamkeit richtete sich allein auf Anne. Nadja wagte kaum zu atmen. Etwas ging zwischen den beiden vor, was sie nicht verstand.
»Komm.« Sein langer Umhang bauschte sich hinter ihm auf, als er an Anne vorbeischritt. »Wir werden ihn aufsuchen.«
»Wen?« Robert stellte sich ihm in den Weg. Einen Augenblick lang befürchtete Nadja, der Panther würde ihn einfach niederschlagen, doch er blieb stehen.
»Den König, wen denn sonst?« Er sah Robert an. In seiner Panthergestalt überragte er ihn um mehr als einen Kopf. »Und rede nie wieder so mit mir, sonst reiße ich dir die Kehle heraus.«
Robert hob die Augenbrauen. Er schien antworten zu wollen, schüttelte aber nur den Kopf. Nadja war froh darüber. Die Klauen des Panthers waren so lang wie Roberts Unterarm.
Catan führte sie durch Gänge und Säle, über Treppen und Brücken hinweg, ohne ein Wort zu sagen. Nadja verlor die Orientierung, wusste nicht mehr, woher sie gekommen waren oder in welche Richtung sie gingen. Irgendwann sah sie durch ein Fenster in einem Gang nach unten und sah wabernden schwarzen Nebel. Sie hatten die unteren Stockwerke hinter sich gelassen, waren in einen Teil des Palastes gelangt, den man von dort nicht einsehen konnte.
Vor einer geschlossenen, zweiflügeligen Tür blieb Catan schließlich stehen. Werwölfe hockten um sie herum am Boden, fraßen etwas, das Nadja nicht erkennen konnte. Sie sahen auf, als sie Catan bemerkten, und knurrten, als fürchteten sie um ihre Beute.
Die Tür war mit dunklen Mustern verziert. Catan klopfte. Nadja sah, wie Anne die Augenbrauen zusammenzog. Erkannte sie die Zeichen und Runen etwa?
Lautlos schwang die Tür auf. Dunkler Nebel wallte durch den Saal, der dahinter lag. Nur ein Möbelstück machte Nadja darin aus, einen großen, geschwungenen Holzthron, der auf einem Podest in der Mitte des Saals stand. Die Wände bestanden aus bunten Bleiglasfenstern und verliehen dem Saal die Atmosphäre einer Kirche. Figuren waren auf den Fenstern abgebildet, Elfen in Kutten und auf Pferden, Männer und Frauen, die wie Heilige wirkten.
Robert ging auf eines der Fenster zu. Sein Gesichtsausdruck wirkte ungläubig. Er legte den Kopf in den Nacken, dann drehte er sich um, starrte Anne an.
»Das bist du.« Er wirkte verwirrt. »Wieso bist du auf dem Bild?«
Der Panther war mit einem Schritt bei ihm und trat ihm die Beine unter dem Körper weg. »Man kniet in Anwesenheit des Königs!«, brüllte er.
Robert fiel in den Nebel, kam hustend und würgend wieder hoch. Der Panther legte ihm die Hände auf die Schulter, drückte ihn mit beiden Händen nieder, bis Robert kniete. Der Nebel reichte ihm bis zur Brust.
Anne zog Nadja auf die Knie und senkte den Kopf. »Sieh ihn nicht an«, flüsterte sie.
Auf dem Thron, der eben noch leer gewesen war, saß jemand. Nadja sah schwarze Stiefel, eine schwarze, golden umrahmte Rüstung ohne Wappenrock und schwarzgoldene Handschuhe. Sie widersetzte sich Annes Befehl und sah dem Mann ins Gesicht.
Er war böse.
Nadja wusste nicht, woher sie diese Erkenntnis nahm. Es war nicht die Härte in seinem Gesicht – in diesem Reich hatte sie viele harte Gesichter gesehen –, nicht die Makellosigkeit und Strenge, mit der sein kurzes schwarzes Haar am Kopf zu kleben schien, oder der kalte Blick aus seinen Augen, die sie grau und teilnahmslos betrachteten. Das alles kratzte nur an der Oberfläche. Aber darunter lag etwas Dunkles, Perverses; etwas, das jedes Licht zu schlucken schien und die sakrale Atmosphäre des Raums bis zur Unkenntlichkeit verzerrte.
»Es ist viel Zeit vergangen, Anne«, sagte er.
Die Muse nickte. Nadja spürte, wie die Hand, die immer noch ihren Arm umklammerte,
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