Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
wie die Opfer in Paris, und wie der Junge, dem sie auf dem Rialto begegnet war.
»Haben der Königin die Seelen gemundet?« fragte Arlecchino ins Licht.
»Köstlich«, schallte eine krächzende Antwort heraus.
»Das freut uns!« Brighella trat neben Arlecchino.
»Sagt ihr, sie wird mehr bekommen«, erklang da aus dem Hintergrund eine schaurige, heiser zischende Stimme, und die beiden Maskenträger fuhren zusammen.
Nadja griff sich an die Brust. Der Getreue, unheimlich und mächtig wie immer. Langsam kam er heran, und die beiden Maskenträger warfen sich vor ihm zu Boden.
»Herr … wir haben …«, fing Brighella an, doch der Getreue winkte unwirsch ab.
»Steht auf und verschwindet, ich habe zu tun. Und nehmt die beiden leeren Menschen mit, sie sind nicht mehr von Nutzen.«
Die beiden Maskenträger beeilten sich, auf die Beine zu kommen, packten das seelenlose junge Paar und eilten durch die Haupttür hinaus, die sie umgehend wieder hinter sich schlossen.
»Lasst das Tor geöffnet!«, rief der Getreue ins gleißende Licht. »Ich bringe viele Seelen, von denen Bandorchu zehren kann.« Er hob den Arm, und dann öffnete sich die Tür gegenüber zum Nebenraum.
Atemlos sah Nadja den Kau und den Spriggans, die jammernde und heulende Menschen wie Vieh hereintrieben. Cor saß auf der Schulter des vordersten, der Kau wieselte um sie herum. Die Anhängerschaft des Conte.
Marie Antoinette fiel auf die Knie. »Wir geben Ihnen alles, was Sie verlangen, aber bitte lassen Sie uns leben!«, flehte sie.
»Leben?« Der Getreue lachte grausam. »Ihr habt kein Leben mehr, es ist bereits vorüber! Der Elf ist fort, der Bann gebrochen. Der Tod wird nicht länger abgewiesen, und er holt euch schon, einen nach dem anderen. Könnt ihr euch vorstellen, wie erzürnt er ist, weil ihr euch gegen ihn gestellt habt? Der Conte hat keine Macht mehr, euch zu schützen.« Er näherte sich dem zitternden Haufen, der wimmernd vor ihm zurückwich. »Eure Körper verwesen, und euer Geist zerfällt. Aber eure Seelen … die gehören mir. Ich werde sie der Dunklen Königin schenken, und ihr dürft euch glücklich schätzen, dass ihr an ihrer Unsterblichkeit Anteil haben werdet. Das wird eine Weile reichen.«
Nadja hielt sich die Hand vor den Mund, als sie begriff. Und obwohl sie kein Mitleid mit den Anhängern des Conte haben sollte, wäre sie am liebsten dazwischengegangen. Sicher, sie hatten entsetzliche Dinge getan, aber sie waren auch bereits zum Tode verurteilt. Ihnen die Seelen zu rauben …
Andererseits sollte sie die Sache auch ganz realistisch sehen: Solange diese Seelen reichten, wurden andere Menschen verschont, die noch mitten im Leben standen und unschuldig waren. Die einen so grausamen Tod noch weniger verdient hatten als Pieros zwielichtiges Gefolge.
Die Verurteilten schluchzten und bettelten um Gnade, aber die Gehilfen des Getreuen kicherten nur und trieben sie einen nach dem anderen in das gleißende Licht.
Der Getreue ging derweil ins Nebenzimmer und kam mit jemandem zurück, den er im festen Griff vor sich herschob. Nadja erkannte den gefesselten und leichenblassen Conte, der an der Schulter verwundet war. Nichts an ihm war mehr löwenhaft, er war nur noch eine verängstigte zitternde Kreatur, deren Kraft gebrochen war.
Der Getreue trat dicht an das leuchtende Fenster. »Dies ist keine Seele zum Verzehr«, sprach er ins Licht. »Ich überreiche meiner Königin den Sohn des Cagliostro, einen echten Magier, der ihr eine unterhaltsame Geschichte darzubieten hat. Er soll ihr Hündchen sein, und sie soll nach Belieben mit ihm verfahren. Vielleicht ist er uns eines Tages sogar noch von Nutzen.«
»Sie wird erfreut sein«, erscholl es aus dem Licht. »Wann wirst du zurückkehren?«
»In Kürze, sobald mein Werk hier getan ist. Richte ihr meine sehnsüchtigen Grüße aus, zu lange habe ich sie schon vermisst.«
Ein raues Lachen war die Antwort.
Der Conte drehte sich im unbarmherzigen Griff des Getreuen. »Nein«, flüsterte er. »Tu das nicht, ich bitte dich.«
»Sei kein Narr, dich erwarten größere Wunder, als du dir je erträumt hast«, erwiderte der Mann ohne Schatten. »Du wirst Magie erleben, wie du sie selbst nie erlangen kannst, und Dinge sehen, die kein Normalsterblicher ungestraft erblicken darf. Du wirst der Königin des Schattenlandes begegnen und dich im Glanz ihrer unvergleichlichen Schönheit baden. Findet sie Gefallen an dir, werden dir unvorstellbare Wonnen zuteil. Dir wird eine große Ehre offenbart, und
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