Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
die hast du allein deiner Boshaftigkeit zu verdanken.«
Der Conte schien das nicht zu glauben, denn er schlotterte am ganzen Leib. »Töte mich, bitte! Beende es endlich.«
»O nein«, hallte die amüsierte Stimme des Getreuen wie aus einem bodenlosen Abgrund. »Ich schenke dir das Leben, das dir durch Elfenmagie erhalten bleibt, wie du es seit Jahrhunderten praktizierst. Dort drüben wird es in dich einsickern und dich konservieren. Freue dich auf den Tag, an dem ich mich dir in aller Ausführlichkeit widmen werde, denn er wird die Krönung deines Daseins bilden.«
Nadja spürte die Kälte bis in ihre Knochen. Der Conte würde zigfach für seine Sünden bezahlen. Sie konnte die Angst des Mannes verstehen, und obwohl sie ihn hasste, hatte nicht einmal er ein solches Schicksal verdient.
»Heilige Mutter Gottes, hilf …«, keuchte der Sohn Cagliostros.
»Du findest Götter, wo du hingehst, vielleicht helfen sie dir … gegen einen geringen Preis.« Der Getreue stieß den Conte ins Licht und schloss das Fenster.
Nadja wich zurück, als er sich dann umdrehte und den Blick auf die halb geöffnete Tür richtete.
Er weiß es
, dachte sie panisch.
Er weiß immer, wo ich bin, und jetzt wird er seinen Preis verlangen
.
Da sprang die Haupttür auf, und seine Gehilfen platzten herein. »Herr!«, rief der Kau, »Meister!« der Spriggans.
»Was ist?«, fragte er ungeduldig.
»Wir haben noch einen Kerker entdeckt, den müsst Ihr Euch ansehen!«
»Ja, da ist eine Mumie drin. Wir glauben, die kennt Ihr!«
»Na schön, ich komme.«
Nadja hielt den Atem an, als der Umhang des Getreuen an der Tür vorbeiwehte und die Kälte mit sich nahm. Sie hastete zu David zurück, der unverändert dalag und schlief. Unsanft weckte sie ihn. »Wir müssen weg hier, schnell, solange der Getreue abgelenkt ist!«
»Ich höre immer Getreuer«, murmelte er, versuchte aber, aufzustehen. Nadja zog ihn zur Treppe – und musste feststellen, dass der Zauber erloschen war. Nun war die Wendeltreppe tatsächlich nur noch eine Attrappe. Die Maske hatte sie also nicht verraten, sondern gerade noch im letzten Moment hier herauf befördert, zum letzten Ausgang, den es noch gab. Beinahe wären sie im Zwischenraum steckengeblieben …
Nadja stieß eine Reihe von Flüchen aus, die David einigermaßen munter machten, und er sah sie bewundernd an. »Wir müssen über die Galerie runter, es hilft alles nichts. Hoffen wir, dass die Polizei sich in dem Chaos nicht um uns kümmert.«
Sie fuhr zusammen, als aus dem Nebenraum eine Stimme erklang: »Der Weg ist frei, beeilt euch.« Bevor sie fragen konnte, wer da gesprochen hatte, hinkte Byron herein. »Folgt mir«, sagte er. »Ich bringe euch sicher raus.«
»Byron!«, rief Nadja. »Wie kannst du hier sein?«
Der Poet grinste verwegen. »Der Bann ist gebrochen, meine Teure, und da sind wir natürlich nachsehen gekommen.« Er musterte David von oben bis unten, der ihn mit offenem Mund anstierte. »Dein Freund?«
»Ja«, strahlte Nadja.
»Du redest mit einem Geist«, bemerkte David.
In diesem Augenblick trippelte Casanova mit wehender Perücke herein. »Freunde, Freunde, halten wir uns nicht zu lange auf! Dieser fürchterliche kalte Kerl schleicht hier überall herum und holt sich Seelen, meiner Treu! Ich bin den ganzen Weg gerannt.« Er zog ein Schnupftüchlein aus der Tasche und tupfte sich die schweißbedeckte Stirn ab.
»Muss ich das jetzt verstehen?«, fragte David.
»Nein, das klären wir …«
»Später. Ja. Ich glaube, ich träume immer noch.«
Casanova blickte staunend auf den Elfenprinzen. »Was denn,
das
ist er? Dieses lange, dünne Elend? Mein liebes Kind, das tut mir aber leid.«
»Kommt schon, gehen wir«, sagte Nadja lächelnd. Falls sie der Polizei oder dem Getreuen in die Arme liefen, konnte sie zwar keinerlei Hilfe von den Geistern erwarten, aber es tat gut, sie zu sehen.
Byron und Casanova gingen voran und sicherten den Weg. So gelangten Nadja und David schwankend bis zur linken Treppe. Das ganze Haus befand sich im Chaos, alles rannte durcheinander, der Lärm war unbeschreiblich. Vieles war beschädigt, Teppiche und Bilder von den Wänden gerissen, Vasen und Vitrinen umgeworfen. Die Polizei versuchte, die Menschen einzusammeln, zu sortieren und in Räume zu sperren. Spürhunde suchten nach Geheimtüren.
Überall wurde nach dem Conte gefahndet. Insofern war es das Beste, dass der Getreue ihn und seine Anhänger weggebracht hatte, denn spätestens morgen hätte die Polizei verwesende
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