Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
beinahe wie ein Stromschlag. Etwas von ihr sprang auf die Contessa über, und sie zog erschrocken die Hand zurück.
Die Contessa stieß einen Schmerzenslaut aus und griff sich an den Arm. Sie sank in sich zusammen, ihr Kopf fiel nach unten. Nadja bekam es mit der Angst, sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie brachte keinen Ton heraus, wagte es aber nicht, die Frau noch einmal anzufassen.
Da hob die Contessa plötzlich den Kopf, und mit völlig klaren Augen starrte sie Nadja an. »Wer sind Sie?«, fragte sie mit völlig veränderter Stimme. »Wie kommen Sie …«
»Contessa, geht es Ihnen gut?«, unterbrach Nadja erschüttert. »Kann ich …«
»Was geht hier vor sich?«, erklang in diesem Augenblick eine weitere Stimme, und Nadja fuhr erschrocken hoch und drehte sich um.
Der Majordomus stand in der Tür.
»Das frage ich Sie«, gab Nadja ruhig zurück.
»Sie haben hier nichts zu suchen«, sagte der Majordomus. »Ich werde die Sicherheit rufen.«
»Tun Sie das«, erwiderte Nadja. »Und am besten die Polizei gleich mit dazu.«
»Sie sucht den Elfen.«, sprach die Contessa schwach dazwischen.
»Hier gibt es keine Elfen, das sind nur Märchengestalten«, versetzte der Majordomus unwirsch. Nadja sah den tiefen Schmerz in seinen Augen, der im krassen Gegensatz zu seiner barschen Stimme stand.
»Und warum höre ich den Elfen dann schreien?«, flüsterte die Contessa.
»Da sind keine Schreie.«
»Doch, da sind Schreie«, meldete Nadja sich wieder zu Wort. »Von Gefangenen, die zu grausamen Zwecken missbraucht werden, bis sie nicht mehr von Nutzen sind. Und Sie wissen das!«
Der Majordomus schlug die Augen nieder. Sein Gesicht wurde aschfahl. Langsam schloss er die Tür hinter sich. »Sie haben keine Ahnung …«
»Dann klären Sie mich auf! Wenn Sie jemals eine Chance hatten, diesem furchtbaren Treiben hier ein Ende zu bereiten, dann jetzt! Reden Sie mit mir! Sie sind der Einzige, der es kann, stimmts?« Nadjas Stimme klang fest und sicher, wurde zunehmend lauter. »Die anderen Serviceleute werden durch irgendwelche Pülverchen und Tränke gefügig gemacht, wahrscheinlich sind sie drogenabhängig. Gleichzeitig lähmt es ihr Sprachzentrum. Und was hat es mit dem Vergissmein auf sich, der allen die Erinnerung nimmt, bis auf diejenige an ein schönes Fest? Wie viele Gäste werden nie nach Venedig zurückkehren? Wo sind die sterblichen Überreste all der Opfer?«
Der Mann stöhnte und griff sich an die Stirn. »Hören Sie auf«, bat er. »Sie machen alles nur noch schlimmer!«
»Natürlich«, fauchte Nadja, »indem Sie leugnen und schweigen, tun Sie selbst vor sich so, als ob Sie von nichts wüssten. Und die Contessa flüchtet sich in eine andere Welt! Warum?«
Der Majordomus fasste sich wieder. »Ich … muss es dem Conte melden. Wenn er herausfindet, dass Sie hier waren … und ich davon wusste … Sie können sich nicht vorstellen, was er uns beiden antun wird!«
Nadja stieß einen trockenen Laut aus. »Mit mir hat er das sowieso vor. Ich habe ihn belauscht. Wachen Sie auf, Mann! Retten Sie sich, indem Sie mir helfen. Dann hat der Spuk noch heute Nacht ein Ende!«
»Ich kann nicht, begreifen Sie das denn nicht!«
»Bitte, lass sie gehen«, erklang in diesem Moment wieder die Stimme der Contessa, und zum zweiten Mal sehr klar. »Es hat so gut getan, einmal mit jemandem von der Außenwelt sprechen zu können.«
Tränen schossen daraufhin in die Augen des Majordomus. »Lydia!«, stieß er heiser hervor. »Ach, Lydia …« Er stürzte zu der jungen Frau, zog sie in seine Arme und drückte sie an sich. »Mein Kind, was für ein Wunder, du erkennst mich.«
»Schon gut, Papa«, flüsterte Lydia. Sie erwiderte die Umarmung und schmiegte sich an ihn. »Ich bin wieder da.«
Nadja fühlte einen pochenden Schmerz in der Schläfe, als sie endlich begriff. »Sie haben sie beschützt …«
Der Majordomus nickte, während die Tränen über seine Wangen liefen. »Wir waren verzweifelt, weil wir nie mehr ein Lebenszeichen von Lydia hörten. Ich bereute zutiefst, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben! Und ich schwor mir, ich würde es wieder gutmachen. Als die Einladung zum Maskenball kam, durften wir alle anreisen. Lydia wirkte glücklich, weil sie schwanger war. Aber ich machte mir große Sorgen und wollte herausfinden, was hier vor sich ging. Also bot ich dem Conte demütig meine Dienste an. Ich fand Argumente, die ihn überzeugten, denn er hielt mich ohnehin für einen schwachen, rückgratlosen Mann …
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