Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig

Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig

Titel: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schartz
Vom Netzwerk:
geduldig sein musste. Die Frau hatte sich in eine andere Welt geflüchtet, um den Schrecken ihrer Ehe zu entkommen. Doch sie war nicht gänzlich verrückt geworden, sie schützte sich nur. Ihr Verstand arbeitete noch immer, wenngleich auf Sparflamme. »Erzählen Sie es mir.«
    »Was denn?«
    »Alles. Was Sie wissen.«
    Die Contessa überlegte. »Da gibt es eine Geschichte …«, begann sie zögernd. »Ich erinnere mich, jemand hat sie mir erzählt. Vor langer Zeit. Eine Frau, die in einem Turm gefangen gehalten wurde und die zuvor jemand ganz anderes gewesen war. Ich kann Ihnen nicht sagen, wer die Frau war, ich habe es vergessen. Wollen Sie die Geschichte trotzdem hören?«
    »Liebend gern, Contessa.«
    »Aber wenn ich Sie langweile …«
    »Gewiss nicht, ich verspreche es Ihnen. Ich höre Ihnen die ganze Zeit zu. Ich möchte es wirklich wissen.«
    Über das blasse Gesicht der Contessa huschte der Anflug eines Lächelns. »Sie wollen wirklich zuhören? Das hat lange keiner mehr getan. Ich habe schon geglaubt, dass niemand mehr meine Stimme hören kann … Er will nicht, dass ich rede, deswegen spreche ich auch nicht mehr zu ihm.«
    Nadja nahm die Maske ab und kniete neben ihr nieder. »Ich kann Sie hören, Contessa. Ich wäre glücklich, wenn Sie zu mir sprechen wollen. Geschichten sind mein Leben, wissen Sie. Ich kann nie genug davon bekommen.«
    »Also gut.«
    Und dann fing sie tatsächlich an, die Geschichte ihres Leidensweges zu erzählen, mit abwesender und sachlicher Stimme, als handle es sich um jemand ganz anderes.
    Der Vater der Contessa freute sich über das Angebot des Conte, die älteste Tochter gegen Zahlung einer stattlichen Summe zu ehelichen. Normalerweise musste die Braut die Mitgift mitbringen, aber der Conte wusste, dass der Vater kurz vor dem Konkurs stand, und zeigte sich großzügig. Er wollte unbedingt die lebensfrohe Studentin als Gemahlin heimführen, sie und keine andere.
    Natürlich sagte das Mädchen nein, es kannte den Verehrer nicht einmal, aber die gesamte Verwandtschaft setzte ihr zu. Sie sprachen von Pflicht und Familienehre und Tradition, und als man ihr ein Bild des Künftigen zeigte, gab die junge Frau schließlich um einen Schritt nach. Sie willigte zu einem Treffen ein – einem einzigen –, nach dem sie ihre Entscheidung treffen würde.
    Nach dem Treffen sagte sie ja.
    Die Hochzeit fand in Venedig statt, ein rauschendes Fest in einem angemieteten und speziell ausgestatteten Palazzo. Alle beglückwünschten das schöne Paar, und die junge Braut war glücklich, denn der Bräutigam war aufmerksam und märchenhaft reich und außerdem ziemlich verführerisch. Die Hochzeitsnacht ließ jedenfalls keine Wünsche offen, und die Jungvermählte verabschiedete sich am nächsten Morgen tränenreich von der Familie, um zu ihrem Gemahl nach Tramonto zu ziehen.
    Doch kaum hatte sie den Fuß auf die Insel gesetzt, begannen auch schon die Veränderungen. Die Contessa wurde in Kenntnis gesetzt, dass zwar die ganze Insel ihr gehören würde und sie sich überall frei bewegen dürfe – aber sie durfte Tramonto nie mehr verlassen. Auf gar keinen Fall und unter gar keinen Umständen. Das Handy wurde ihr weggenommen, und normales Telefon gab es nicht. Es gab überhaupt so gut wie keine Technik, mit Ausnahme der Boote, der Kücheneinrichtung und hervorragend ausgestatteter Bäder. Aber weder Computer noch Internet oder Fernseher.
    »Du wirst dich nie langweilen«, versprach der Conte, und sie fügte sich, weil sie frisch verliebt und glücklich war. Sie nahm an, dass er nur einen Scherz gemacht hatte; schließlich hatte sie Eltern, Brüder, eine Familie und Freunde, mit denen sie nicht einfach zu brechen gedachte. Der Conte war gewiss ein eifersüchtiger Mann und wollte sie nicht teilen, aber mit der Zeit würde er erkennen, dass sie nur ihm treu war und ihm gehörte.
    Und genau das verlangte er von ihr: absolute Unterwerfung. Er duldete es nicht, dass sie ihm widersprach, und verbot ihr, politische Ansichten zu äußern. Als sie anfing, die Bootsfahrer zu bestechen, damit sie wenigstens Briefe mitnähmen, schlug er sie das erste Mal.
    Nach und nach lernte die Contessa den ganzen Hofstaat kennen – die Freunde des Conte, die ebenfalls nie die Insel verließen, und die Bediensteten, die allesamt alt und stumm waren. Mit keiner einzigen der seltsamen Gestalten wollte sie sich anfreunden. Sie gefielen ihr einfach nicht, und sie wirkten alle trotz des jugendlichen Aussehens so alt und konservativ, dass

Weitere Kostenlose Bücher