Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
Schräg verlief der Bruch durch das Gestein, und die Entfernung tat ihr Übriges.
David musterte die andere Seite genau. »Da ist genug Platz, bis die Flammen beginnen, obwohl es schon ziemlieh heiß sein dürfte. Damit kann ich den Wert des Amuletts gleich feststellen. Ob ich mit so wenig Anlauf den Sprung zurück schaffe, weiß ich aber nicht.«
Rian löste das Tuch von ihrem Hals und hielt es David hin. »Ich schenke es dir. Damit kommst du auf jeden Fall zurück.«
Er nahm den Stoff, legte ihn zusammen und stopfte ihn in seine Jackentasche. »Also dann.«
David ging ein Stück zurück, nahm Anlauf und stieß sich von der Kante ab. Sicher landete er, dann blieb er einen Moment stehen.
Die Flammen züngelten heftiger, als fache ein Wind sie an oder als wollten sie David warnen. Rian hielt den Atem an. Ein weiterer Schritt, und ihr Bruder wäre nur noch als vager Schatten zwischen den Flammen zu erkennen. Doch der Umriss blieb aufrecht und bewegte sich gleichmäßig zwei oder drei Schritte weiter, dann kehrte er um. Völlig unversehrt trat David wieder an den Spalt und lächelte.
»Es klappt! Und ich habe eine Idee, wie wir es gemeinsam unter dem Schutz des Amulettes schaffen. Komm rüber!«
Rian wechselte den Steinspeer in die Linke, nahm Anlauf und sprang. Hitze schlug ihr entgegen, als sie dicht neben David landete. Sie schloss die Augen und hob den rechten Arm, um ihr Gesicht zu schützen. Im nächsten Augenblick ließ die Hitze nach, und Rian senkte den Arm wieder. David stand vor ihr und schützte sie.
»Und jetzt?«, fragte sie.
»Erinnere dich an unsere Kindheit«, sagte er. »Als wir bemerkten, dass wir etwas Besonderes sind, haben wir uns manchmal gewünscht, so zu sein wie der andere, weißt du das noch? Wir versuchten, zusammen nur einer zu sein. Das ist vielleicht genug, um das Amulett zu täuschen. Es ist nur ein Artefakt und nicht wie das Tuch mit einem Geist verbunden, der die Täuschung durchschauen könnte.«
Rian blinzelte. Sie hatte diese Zeiten fast vergessen, aber jetzt kehrten die Erinnerungen zurück. Die scheuen Blicke der anderen, das Flüstern hinter vorgehaltenen Händen, die Vorsicht und Zurückhaltung, mit der man sie als Kinder behandelt hatte, als wären sie zerbrechlich. Damals hatten sie noch nichts von dem Geheimnis um ihre Mutter gewusst, den Rang ihres Vaters nicht verstanden. Sie waren zwei gewesen, nicht nur einer, und in Kindertagen hatten sie versucht, diesen
Makel
zu beheben.
»Denkst du wirklich, wir können das wieder tun? Es ist so lange her ...«
»Wir können alles, was wir damals erreichten, auch jetzt noch. Wenn wir es nur wagen.«
Wenn wir es nur wagen
... Wollte sie das? Wollte sie überhaupt so dicht an eine Verschmelzung mit ihrem Bruder gehen, jetzt, da er etwas in sich trug, was sie nicht begriff? Ihr Magen zog sich bei dem Gedanken zusammen.
»Ich habe Angst«, flüsterte sie.
»Angst?« Im selben Moment, als er es sagte, dämmerte auch schon Verstehen in seiner Miene auf. »Du hast Angst, dass ich dich mit einer Seele ...
anstecke.«
Rian nickte.
David strich ihr mit einer Hand durch das Haar. »Du bietest einer Seele keinen Boden. Bei mir war da bereits etwas ... Es gab einen Grund, auf dem der Funke sich nähren konnte, um so zu werden, wie er jetzt ist: Nadja. Aber du bist anders. Selbst wenn etwas überspringen würde, es würde sofort verkümmern.«
Bist du dir da sicher?
, wollte sie fragen, doch wozu? Sie musste seinem Instinkt vertrauen. Rian atmete durch und senkte den Blick. »Also gut«, sagte sie. »Versuchen wir es.«
Sie drehte sich um und streckte die Arme aus. David trat dicht an sie heran, schmiegte seine Arme und Hände an ihre und stellte seine Beine schräg hinter Rians. Gemeinsam bewegten sie die Arme und schufen Schlingen, die ihre Körper gegen alle äußeren Einflüsse zusammenhalten würden. Lediglich ihr Wille konnte die Verbindung jetzt noch aufheben.
Rian legte den Kopf zurück gegen Davids Schulter und schloss die Augen. All ihre Konzentration ging auf das Band zwischen ihnen über. Sie tastete sich darauf voran, spürte, wie er sich von der anderen Seite nach ihr ausstreckte. All ihre Gedanken und Empfindungen nahm sie mit sich in diesen Raum zwischen ihnen, und ebenso tat es David. Sie näherten sich einander an, berührten sich und verflochten sich auf eine Art, wie es nur Wesen möglich war, die keinerlei Vorbehalte gegenüber dem anderen hatten.
Mit einem Mal kehrte die Erinnerung an dieses Gefühl
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