Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
Menschen jagten. Und der Versuch des ersten Feuers, Totenrituale, Trauer und Angst. Schmerz und Kälte, ständige Unruhe und Suche, Kampf ums Überleben. Trotzdem oder gerade deswegen spürte er den allgegenwärtigen Wunsch, der Nachwelt zu hinterlassen, was diese Menschen gesehen und erlebt hatten. Menschen, die mehr waren als der Höhlenbär, dessen Lager sie ihm manchmal abjagten. Sie hinterließen unverwechselbare Handabdrücke und filigrane Zeichnungen. Sie beobachteten den Himmel und seine Zeichen, verehrten die Leben spendende Sonne und mieden das freie Land in mondloser Nacht.
So alt
…, dachte Fabio fasziniert und wunderte sich, wie er bei der Geschwindigkeit überhaupt die Zeit für diesen Gedanken fand.
Ich wusste es nicht
…, vernahm er Letitias Wispern in seinem Kopf; sie war nicht minder beeindruckt als er und schien diese Reise offensichtlich zu genießen.
Alles, was Fabio bisher an Gefahren und Nachteilen der Erinnerungsmagie kennengelernt hatte, traf nicht zu. Er und seine Liebste ergänzten sich perfekt in ihrer Reise zurück, und weil es kein Augenblick des Todes war, sondern immer wieder neue Geburt, gab es auch kaum Schrecken. Manchmal starb das Behältnis der Seele an Krankheit, manchmal gewaltsam, manchmal aber auch einfach am Alter. Es waren nur ganz kurze Momentaufnahmen, und die Türen öffneten sich immer leichter – nahezu von selbst, je weiter sie zurückgingen. Längst hatten sie den Anbeginn der Menschheit erreicht und mit ihm eine Welt, die bei Weitem nicht so komplex wie die heutige schien. Klar strukturiert und zielstrebig.
Nach wie vor hielten sie sich nicht auf, obwohl die Versuchung immer intensiver wurde. Viele Rätsel könnten nun geklärt werden, die Vergangenheit müsste kein dunkles Loch mehr sein, das man mit Vermutungen füllte.
Doch Fabio und Letitia hatten ein gemeinsames Ziel, zeitlich wie auch räumlich. Den Ort zu finden war nicht schwer, denn ihn gab es noch in der Gegenwart, aber die Zeit … Dass es so weit zurückging, hätte Nadjas Vater nie gedacht. Staunend bewegte er sich durch die Sphären, sah Kometen einschlagen, Sterne über das Himmelsgewölbe rasen, aufblitzen und verglühen, sah den Mond ganz nah und riesig, gewaltige Wälder und endlose Steppen und Meere, die über den Rand hinaustraten, austrockneten und sich wieder füllten. Und er sah versunkene Kulturen und Zivilisationen, die weiter zurücklagen als alles, was bekannt war. Niemand wusste mehr von ihnen, denn ihre Spuren lagen so tief im Gestein verborgen, dass man sie bis heute nicht gefunden hatte. Eine Zeit vor der langen Wanderung, bevor die Anwendung des Feuers neu entdeckt wurde. Eine Zeit, bevor die Menschheit offensichtlich das erste Mal ins Vergessen gesunken war. Als sie lange dumpf dahinschritt, bevor sie eine neue Zivilisation aufbaute, die man bisher für die erste gehalten hatte. So geschah es seitdem immer wieder: Hochkulturen kamen und gingen und waren bedeutender als alles, was man je gefunden hatte.
Gemeinsame Wege, die Menschen und Elfen gingen, als gäbe es keine Unterschiede zwischen ihnen.
Und schon damals existierte die Wandernde Seele. Sie war älter als alles, was Fabio je begegnet war, älter wahrscheinlich noch als Fanmór. Fast seit Anbeginn begleitete sie die Menschheit.
Sie führte den ehemaligen Elfenmann schließlich zur Alten Stadt, und das war der Moment, da er sich verlor.
Er sah, wie die Stadt gebaut wurde, und er sah ihre Blüte. Er sah den Frieden dort, den Handel zwischen den Unsterblichen und den Menschen, die Bewegungen zwischen Welten, die damals noch eins waren. Er sah die Könige und Götter der Elfen und so viele mehr in hell strahlendem Licht, als gäbe es keine Dunkelheit.
Und doch,
eine
Dunkelheit gab es dort, eine hünenhafte Gestalt ohne Gesicht und Schatten, die Anweisungen erteilte und der man gehorchte und … ja, Bauwerke errichtete. Einen Thron aufstellte, Schiffe baute und Geschmeide anfertigte. Er sah, wie Herrscher ihr Ohr der Dunkelheit schenkten und wie Ehrgeizige ihre Wünsche an sie richteten.
Er hielt abrupt inne und verlor dabei die Verbindung.
Da wandte sich die Dunkelheit ihm zu, richtete das verborgene Glitzern auf ihn, als könne sie ihn
wahrhaftig
sehen.
Fabio schrie auf.
Er. Er. Er. Er
.
Nadja fuhr zusammen, als ihr Vater unartikuliert zu schreien begann, mit einer völlig fremden Stimme, die sie bis ins Mark erschütterte. Letitia lag starr auf dem Bett, ihr Brustkorb hob und senkte sich nur noch einmal pro
Weitere Kostenlose Bücher