Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
gar nicht wohl bei der Sache.
»Wie merke ich überhaupt, dass etwas nicht mehr stimmt?«
»Verlass dich einfach auf dein Gefühl. Wenn ich mich verliere, musst du mich zurückholen.«
»Also gut.«
»Aber unter gar keinen Umständen darfst du diese Maske aufsetzen!«, warnte Letitia. »Egal, was passiert – denn das könnte unser aller Tod bedeuten. Was in mir verborgen ist, darf niemand sonst erfahren.«
Nadja nickte. Das nahm sie sehr ernst. Um nicht in Versuchung zu kommen, steckte sie die Maske in eine Tüte und brachte sie den Großeltern. »Erst wenn wir alle drei wieder hier unten sind, dürft ihr mir die Tüte zurückgeben«, schärfte sie ihnen ein. »Schaut nicht hinein, ja? Was darin ist, hat den bösen Blick – den gibt es wirklich! Wenn ich allein herunterkomme und euch anbettle, mir die Tüte zu geben, tut ihr es einfach nicht. Und versteckt sie, wenn ich weg bin, damit ich sie nicht selbst holen kann.«
»In Ordnung«, sagte Antonio zögernd. Natalia war anzusehen, dass ihr die Frage auf der Zunge brannte, was sie da oben trieben. Aber sie hielt sich zurück, getreu dem gegebenen Versprechen. Geduld war eine wichtige Tugend, vor allem auf dieser Insel.
»Wo fangen wir an?«, fragte Letitia, während sie zu Fabio hochblickte.
Er spürte Nadjas Anwesenheit, sie hatte sich schweigend in den Hintergrund zurückgezogen. Also dann. »Erinnerst du dich an unsere allererste Begegnung?«
»An diese noch am allerbesten, sie kostete mich immerhin gleich das Leben.«
»Dort beginnen wir. Und dann zurück. Es kann sein, dass das Öffnen der Türen sehr unangenehm für dich wird.«
»Das ist nichts Neues. Mit ein paar von ihnen wirst du dich leichter tun als mit anderen, weil ich sie in meinen Träumen bereits geöffnet habe.«
Er nickte. Letitia richtete den Blick nach innen und konzentrierte sich. Ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig, verlangsamte sich aber zusehends. Fabio konzentrierte sich ebenfalls, blickte hinter den Spiegel ihrer Pupille, die sich zusehends weitete, je tiefer Nadjas Mutter in sich versank.
Dann sah er …
… sich selbst, durch ihre Augen. Eine irritierende Erfahrung. Noch dazu, da er diese Erinnerung gerade erst aufgefrischt hatte, indem er Nadja seine Lebensgeschichte erzählte. Doch es war nur ein kurzer Moment. Plötzlich reichten Letitias Erinnerungen weiter zurück, zu ihrer Kindheit, verschwommen und unwichtig, dann kam ein dunkles Loch …
Fabio fand die erste Barriere, die er nun öffnen musste; es war an ihm, Letitia zu dem Leben davor zurückzuführen. Als er auf Widerstand stieß, setzte er behutsam seine mentale Kraft ein. Er konnte nicht wissen, ob er als Mensch dazu überhaupt in der Lage war, kannte aber immerhin noch den Weg. Doch Letitia erleichterte ihm die Mühe, da sie lebte und aktiv mitwirkte. Jetzt betrachteten sie beide ihre Erinnerungen von außen; das war bizarr, doch nicht ungewöhnlich. Die Seele reflektierte alles, was sie aufgenommen hatte, und diese Sicht reichte über das, was Augen aufnehmen konnten, bedeutend hinaus. Fabio spürte, wie der Widerstand nachgab und schließlich schwand, nahm Letitia an der Hand …
Und es ging rasant hinab, in einen gewundenen Tunnel hinein, einer leuchtenden DNA-Spirale nicht unähnlich, filigran und zerbrechlich. Fabio musste aufpassen, dass er bei seiner rasanten Fahrt nicht versehentlich gegen die fragilen Wände stieß und die feine Struktur zerbrach. Nicht auszudenken … War es Letitia, die ihn führte, oder er sie? Gemeinsam rasten sie immer weiter hinab in der Spirale. Bilderfetzen sausten an Fabio vorbei, von Sonnenauf- und Sonnenuntergängen, wechselnden Jahreszeiten, unterschiedlichen Landschaften. Steppe, Dschungel, alles war dabei.
Zumeist befand die Seele sich unterwegs auf Reisen. Ganz zu Beginn verweilte sie oft in Städten, dann ging es an Pyramiden und Zikkurats und dem Babylonischen Turm vorbei, doch je mehr sie sich der Frühzeit annäherten, desto spärlicher waren die sesshaften Abschnitte gesät und machten Nomadendasein Platz. Manchmal konnte Fabio gerade am Rande die Momentaufnahme eines Menschen erhaschen, den Letitia länger als nur ein paar Augenblicke angeschaut hatte, doch er konnte die Momente nicht festhalten – und wollte es auch nicht. Wenn er jetzt verweilte, bestand die Gefahr, dass Letitia und er für immer in diese Zeit zurückstürzten, und dann war der Weg in die Gegenwart ausgeschlossen.
Fabio sah Höhlen und riesige Tiere, die gejagt wurden und ihrerseits die
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