Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin - Schartz, S: Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin
wieder jemand kommen würde, um nach ihm zu sehen. Sie waren alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt oder fort, genau wie die Königin.
Der Seelenlose konzentrierte sich. Er konnte sich kaum daran erinnern, welch faule Künste er auf seiner Insel ausgeübt hatte. Gedankenlesen, ein bisschen Levitation … ja, das war es! Levitation. Das
musste
funktionieren!
Mit doppelter Anstrengung ließ er seinen Willen in das Schloss der Fußfessel fließen, schob die darum gelegte Magie beiseite und schuf eine Schutzblase um sich. Es war kein Bann, nur ein einfacher Schließzauber. Die magischen Fühler tasteten nach dem Riegel, prüften ihn rundum. Nichts außer dem passenden Schlüssel konnte dieses Schloss erreichen. Und der Wille des Seelenlosen. Nein, er war ganz und gar kein Zombie, er war ein Zauberer, und zwar ein wahrer! Er tastete und fühlte, kroch immer tiefer hinein, und dann bekam er den Riegel endlich mit seinem Geist zu fassen. Er ließ ihn aufschnappen.
Als sich die Fußfessel mit einem klickenden Geräusch von seinem Knöchel löste und zu Boden fiel, fühlte er sich für einen Moment fast wieder lebendig. Er ruhte sich nicht auf seiner Leistung aus, sondern setzte die gewonnenen Erkenntnisse umgehend bei der zweiten Fußfessel ein. Diesmal ging es bedeutend schneller, da er den Mechanismus bereits kannte. Auch die Armfesseln waren kein Problem; der Halsring allerdings stellte eine echte Herausforderung dar. Doch schließlich war er besiegt, und zum ersten Mal seit seiner Gefangennahme richtete sich der Seelenlose wieder zu seiner vollen Körpergröße auf. Seine Beine hatten keine Mühe, ihn zu tragen, und er fühlte auch keine Erschöpfung, zitternde Muskeln oder Ähnliches. Das alles war vorbei. Der Körper würde ihn tragen, solange er untot war. Egal in welchem Zustand.
Noch einmal spürte er die Erinnerung an Leben, als er aufrecht stand, frei von allen Fesseln, und sich triumphierend umsah. Nun war er frei, niemand konnte ihn mehr aufhalten. Er fühlte sich von der Magie des Schattenlandes durchpulst, die ihm schon fast wie ein Blutsverwandter vorkam. Sie stärkte ihn und baute ihn auf. Eine große Wandlung hatte stattgefunden. Nachdem er die Fesseln der Sterblichkeit ebenso wie die der Gefangenschaft abgestreift hatte, konnte er seine ganze Macht entfalten, die schon seit seiner Geburt in ihm schlummerte, die gänzlich zu wecken er jedoch nie in der Lage gewesen war. Bisher.
Was sollte er mit ihr anfangen? Die Herrschaft über dieses Land antreten, mit dem er sich so verbunden fühlte?
Nein. Das war zu wenig. Er wollte zurück in die Menschenwelt und dort Rache üben. Danach würde er herrschen, auf subtile Weise, langsam und schleichend. Bei den Menschen gab es viel mehr zu tun als hier. Und er würde sein Leid und die Erinnerung an den Schmerz auf sie übertragen.
Sein Entschluss stand fest: Er würde gehen, zurück in das Menschenreich. Es gab nur einen Weg dorthin – denjenigen, über den er einst hierher gelangt war.
Kurz entschlossen schritt der Seelenlose auf die Tür zur verbotenen Kammer zu, legte die Hand auf den Griff und ließ in sich einwirken, wer ihn zuletzt berührt hatte. Die Königin, kein Zweifel. Sie war aus dem Raum gekommen, hatte hier seine Seele getrunken und war dann wieder dorthin zurückgekehrt.
Sie hatte die Tür nicht magisch gesichert – wie dumm von ihr. Oder gehörte das zu einem Plan? Falls dem so war, spielte er darin sicher keine offizielle Rolle. Das würde er nun ändern. Der Untote ließ seine Levitationsmagie ein weiteres Mal wirken, und kurz darauf tat sich die Tür vor ihm auf.
Einem Lebenden hätte das Herz in diesem Augenblick bis zum Hals geschlagen. Immerhin brach er gerade ein absolutes Tabu! Er erdreistete sich, einem Wesen die Stirn zu bieten, das wahrscheinlich mächtiger als Götter war.
Doch in seinem augenblicklichen Zustand fühlte der Seelenlose lediglich Befriedigung. Dank seiner Macht gab es nichts mehr, was ihn noch aufhielt.
Die Einrichtung des Raumes hinter der Tür interessierte ihn nicht, er nahm sie nicht einmal wahr.
Denn an der Wand am anderen Ende, fast gegenüber dem Eingang, strahlte ein leuchtender Bogen, und dahinter lag ein Weg, der einfach durch die Wand führte.
Dahin war die Königin also verschwunden. Sie war gegangen und hatte ihr Reich, ihre Untertanen im Stich gelassen.
Die Stabilität des Portals gereichte allerdings an ein Wunder. Wie mochte es beschaffen sein? Er schüttelte den Kopf. Das war nicht
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