Elfenzorn
aus dem bellenden Knurren des Ungeheuers wurde ein schmerzerfülltes Pfeifen, und etwas Warmes und Klebriges besprühte ihr Gesicht und ihre Hände.
Durch den Schwung ihrer eigenen Bewegung aus dem Gleichgewicht gebracht, fiel sie nach hinten und schwer auf den Rücken, doch auch die Echse bäumte sich auf. Blut spritzte aus ihrer aufgeschlitzten Kehle wie aus einem gekappten Wasserschlauch, während sie sich kreischend und mit solcher Gewalt zurückwarf, dass ihr Reiter den Halt auf ihrem Rücken verlor und zu Boden fiel. In der nächsten Sekunde rollte er verzweifelt zur Seite und riss die Arme über den Kopf, um nicht unter seinem zusammenbrechenden Tier begraben zu werden.
Pia sprang auf, rannte im Zickzack los und brach rücksichtslos durch dorniges Unterholz und Farn, wobei sie Teile ihrer Jacke und auch schon wieder die eine oder andere Haarsträhne zurückließ, zusammen mit einer Menge Haut. Nichts davon zählte, hinter ihr kreischten mindesten zwei, wenn nicht gar drei oder noch mehr Reitechsen, sie hörte Schreie und das Klirren von Waffen, und ein Schatten jagte an ihr vorbei, um ihr den Weg abzuschneiden. Pia hackte mit dem Dolch danach und wurde mit einem gepeinigten Kreischen belohnt. Blitzschnell schwenkte sie nach rechts, sah etwas Helles durch das Unterholz schimmern und mobilisierte noch einmal alle ihre Kräfte.
Vor Erleichterung hätte sie beinahe laut aufgeschrien, als sie sah, dass sie nicht nur durch einen reinen Zufall wieder zu der kleinen Lichtung zurückgefunden hatte, sondern das Schicksal es ausnahmsweise einmal gut mit ihr zu meinen schien: Etwas sehr Großes und Weißes stand auf der anderen Seite der Lichtung und bewegte raschelnd seine gewaltigen Flügel, wie ein Mensch, der gerade aufgewacht war und Schultern und Nacken reckte.
Sie verdoppelte ihre Anstrengungen, brach durch das letzte Farngewächs (das keines war, sondern eher die mutierte Ausgabe einer Riesenbrennnessel) und sah aus den Augenwinkeln, wie gleich zwei der monströsen Reitechsen rechts und links von ihr aus dem Wald brachen. Jemand schrie. Sie hörte ein Zischen, und ein Pfeil fuhr so dicht vor ihr in den Boden, dass sie nicht einmal mehr darüber hinwegspringen konnte, sondern ihn einfach zerbrach. Der Zwerg zerrte und riss mit verzweifelter Kraft an seinen Fesseln, aber sie konnte nichts für ihn tun. Das Schicksal hatte ihr diese eine unmögliche Chance geschenkt, und es nutzte Gamma Graukeil nichts, wenn sie sie ausschlug und sich auch noch umbringen ließ.
Pia mobilisierte noch einmal ihre unwiderruflich letzten Kräfte, sprintete dem Pegasus entgegen und versuchte den richtigen Winkel abzuschätzen, in dem sie sich abstoßen musste, um im Sattel zu landen, und Flammenhuf drehte sich halb herum, streckte einen Flügel aus und fegte sie damit von den Beinen.
Es war, als würde sie von einem Handschuh aus Watte getroffen, in dem eine Faust aus massivem Stahl steckte. Pia wurde von den Füßen gerissen, flog gute zwei oder auch drei Meter weit durch die Luft und brach sich beim Aufprall wahrscheinlich nur deshalb nicht jeden Knochen im Leib, weil sie auf demselben Bett aus weichem Moos landete, auf dem sie auch die Nacht verbracht hatte. Aber es reichte, ihr die Luft aus den Lungen zu pressen, für einen Moment alles rings um sie herum unwirklich und dumpf werden zu lassen und ihr noch nicht ganz das Bewusstsein zu rauben, sie aber endlose Sekunden lang benommen und wie von unsichtbaren Tonnenlasten niedergedrückt daliegen zu lassen.
Als ihre Sinne wieder zurückkehrten, war es vorbei. Nicht nur zwei oder drei, sondern mehr als ein halbes Dutzend der riesigen Reitechsen bildeten einen undurchdringlichen Kreis um sie, und ebenso viele Gesichter starrten fast hasserfüllt auf sie herab. Die meisten waren menschlich, nur bei zweien konnte sie das nicht sagen, denn einer ihrer Besitzer trug eine schwarze eiserneRüstung und den typischen spitzen Helm eines Dunkelelben samt einem schwarzen Visier, in dem sich nur zwei dünne Sehschlitze befanden. Den letzten Reiter schließlich konnte sie nur als verschwommenen Umriss gegen das helle Morgenlicht erkennen, aber sie sah immerhin, dass er deutlich kleiner war, und irgendetwas an ihm war seltsam. Sie konnte nicht sagen, was, und wenn sie in Betracht zog, dass dies wahrscheinlich die letzten Augenblicke ihres Lebens waren, kam es ihr auch nicht mehr wirklich wichtig vor.
Trotz der beiden Speerspitzen, die drohend auf sie deuteten und des halben Dutzends
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