Elfenzorn
zusammen mit einem kleinen Pappkarton, dessen Anblick sie im gleichen Maße erleichterte, wie er sie beunruhigte, und nutzte die Zeit darüber hinaus, sich gründlich in ihrem neuen Zuhause umzusehen.Das Zimmer war sehr groß und mit Ausnahme des Bettes und einiger weniger, aber erlesen kostbarer Möbelstücke praktisch leer. Fußboden und Decke bestanden aus einem komplizierten Mosaik, und auch die Wände waren bis auf den letzten Quadratzentimeter mit farbigen Malereien und mit großer Kunstfertigkeit ausgeführten Reliefarbeiten bedeckt. Die meisten zeigten die erwarteten Mayasymbole und -bilder, einige wenige aber auch gänzlich andere … Dinge , die sie lieber nicht sehen wollte, und im Allgemeinen verblüffte der Raum sie immer mehr. Wenn das hier tatsächlich Alicas Schlafzimmer war, dachte sie, dann musste in den zurückliegenden vier Jahren etwas ziemlich Drastisches mit ihr passiert sein. Kein Plüsch, kein Barbie-Rosa und keine anzüglichen Bilder ... war Alica etwa erwachsen geworden?
Pia dachte an den Anblick zurück, den sie bei ihrem Wiedersehen geboten hatte, beantwortete ihre eigene Frage mit einem ganz klaren Nein und wandte sich zur Tür, als sie Schritte hörte.
Es war Sonja, die zurückkam und ihr das versprochene Kleid brachte. Es war schreiend bunt, was der hier vorherrschenden Mode zu entsprechen schien, und wenn man bedachte, dass es Alica gehörte, war es sogar überraschend züchtig … was bedeutete, dass Pia eine geraume Weile daran herumzupfte und -zog, bis der dünne Stoff wenigstens das Allernotwendigste bedeckte.
Sonjas Schwester begleitete sie und bedachte sie erwartungsgemäß mit einem schrägen Blick. Pia wartete, bis sie wieder gegangen war, ehe sie sich an Sonja wandte.
»Vorhin, als ihr mich beobachtet habt«, fragte sie. »Warum habt ihr da gelacht?«
»Erhabene, wir wollten Euch gewiss nicht –«
»Pia«, unterbrach sie Pia. »Und was ist an mir so komisch?«
»Nichts«, sagte Sonja hastig, und in ihren Augen erschien schon wieder ein Ausdruck von Schrecken: »Es ist nur ...«
»Ja?«
Sonja druckste noch einen Moment herum und gab sich danneinen sichtbaren Ruck. »Ihr seid die, auf die wir alle schon so lange warten, Erhabe... Prinzessin Gaylen, die Vorausgesagte.«
»Und?«, fragte Pia. Das war nicht alles, das spürte sie.
»Und da ist ... Euer Haar«, antwortete das Mädchen zögernd.
Pia hob ganz automatisch die Hand und griff nach einer Strähne ihres nassen weißblonden Haares, dessen Farbe zeit ihres Lebens dafür gesorgt hatte, dass sie immer ein bisschen mehr auffiel, als ihr recht gewesen war. Vielleicht auch, dass sie eine Winzigkeit eher gelernt hatte sich zu verteidigen als andere Mädchen ihres Alters und auch ein wenig erfolgreicher.
»Was ist damit?«
»Es ist weiß«, antwortete Sonja. »Niemand hier hat weißes Haar.«
»Außer den Elben.«
»Aber Ihr seid keine Elbin.«
»Weil ich keine spitzen Ohren habe?« Pia lachte. »Wie viele Elben hast du denn schon gesehen?«
»Nicht viele«, gestand Sonja. »Eirann und seine Krieger sind die ersten, die seit über hundert Jahren hergekommen sind. Viele von uns haben gar nicht mehr geglaubt, dass es sie überhaupt gibt.« Sie fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen. »Darf ich ... es anfassen, Erhabene?«
»Anfassen?«
»Euer Haar.« Sonja lächelte nervös und erschrak dann sichtlich vor ihrer eigenen Courage. »Bitte verzeiht, Erhabene! Das ... das war ungehörig. Ich weiß selbst nicht, warum –«
Pia hielt ihr eine Strähne ihres langen Haares hin und amüsierte sich unverhohlen darüber, wie das Mädchen mit spitzen Fingern danach griff und sie dann eindeutig bewundernd betastete, als hätte sie nie zuvor etwas Kostbareres gesehen.
Pia ließ ihr ausreichend Zeit, ihr Haar zu bewundern, raffte es dann zu einem strengen Pferdeschwanz im Nacken zusammen und ließ die Hand wieder sinken, als ihr klar wurde, wie weit das nächste Haargummi weg war.
Sonja räusperte sich unecht, trat rasch einen und dann noch einen zweiten Schritt zurück und wusste plötzlich nicht mehr, wohin mit ihrem Blick. »Die ... ähm … ehrwürdige Alischa wartet auf Euch, Erha... Herrin.«
Die ehrwürdige Alischa . Interessant.
»Darf ich Euch zu ihr bringen, Prinzessin?«, fragte Sonja.
Pia gab auf. Sie sparte sich sogar die Frage, ob ihr denn eine andere Wahl blieb, und beließ es lediglich bei einem resignierenden Nicken. Das Mädchen stürmte an ihr vorbei aus dem Raum und in ein zweites,
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