Elfenzorn
–«
»Ungünstig, ich weiß«, fiel ihr Jesus ins Wort. »Das ist anscheinend das Schicksal, mit dem ich leben muss.«
»Aber wir erwarten gleich –«, setzte Alica neu an, nur um sofort wieder unterbrochen zu werden:
»Ich muss mit Pia sprechen. Jetzt. Und eure Gäste verspäten sich ohnehin.«
»Wieso?«, fragte Alica.
»Weil ich ihnen gesagt habe, dass die Erhabene noch einen Moment braucht, um sich zu sammeln und sich in der gebotenen Form auf dieses Treffen vorzubereiten«, sagte Jesus kühl.
»Wie?«, murmelte Alica ungläubig.
Jesus schenkte ihr das knappste Lächeln, das Pia jemals bei ihm gesehen hatte, und kam nun langsam um den großen Tisch herum auf sie zu. Sonja versuchte offensichtlich das, was jede gute Dienerin tun sollte, und vertrat ihm den Weg, um ihre Herrinmit Zähnen und Klauen zu verteidigen, aber Jesus ging einfach weiter, und das Mädchen kam gerade noch rechtzeitig auf den Gedanken, beiseitezutreten, um nicht einfach über den Haufen gerannt zu werden.
»Du hast was ? «, murmelte Alica noch einmal. Sie wirkte ein bisschen fassungslos.
»Sie waren nicht begeistert«, antwortete Jesus. »Aber schließlich ist Pia nicht irgendwer, nicht wahr? Sie respektieren ihre Wünsche, keine Sorge.« Sein Blick ließ den Pias los und suchte Alica. »Warum gehst du nicht zu ihnen und beruhigst sie ein bisschen. Dein Zwergenfreund hat es nötig, glaube ich. Er war ein wenig verschnupft.«
»Jesus, das geht jetzt wirklich zu –«, begann Alica, und nun war es Pia, die sie unterbrach:
»Das ist schon in Ordnung, Alica. Gib uns fünf Minuten, okay?«
Alicas Gesichtsausdruck nach zu schließen war das alles, nur nicht okay , aber sie widersprach nicht mehr, sondern presste nur die Lippen zu einem dünnen, fast blutleeren Strich zusammen und fuhr dann mit einem Ruck auf dem Absatz herum, um aus dem Zimmer zu stürmen, und plötzlich kehrte betretenes Schweigen ein.
Pia wartete darauf, dass Jesus etwas sagte, aber er war in drei oder vier Schritten Abstand stehen geblieben und sah aus der Höhe seiner guten zwei Meter auf sie herab, und zum allerersten Mal, seit sie ihn kannte, flößte sein Blick ihr Unbehagen ein.
Nachdem sie etliche weitere Sekunden vergeblich darauf gewartet hatte, dass er etwas sagte, räusperte sie sich unecht, trat einen halben Schritt auf ihn zu und blieb abrupt wieder stehen, als Jesus fast unmerklich zusammenfuhr und eine Bewegung machte, wie um vor ihr zurückzuweichen.
»Ein gekonnter Auftritt«, sagte sie unbeholfen. »Verrätst du mir auch, was er sollte – außer Alica zu beeindrucken und die armen Mädchen zu erschrecken?«
Jesus schwieg noch immer, aber Sonja trat mit einemzögernden Schritt wieder näher, und jetzt las Pia eindeutig Angst in ihren Augen. Sie konnte sie gut verstehen. Selbst zu Hause in Rio war Jesus mit seinen zwei Metern Größe und seiner Preisboxerstatur eine beeindruckende Erscheinung. Wie er auf die im Allgemeinen sehr kleinwüchsigen Bewohner der Elfenwelt wirken musste, konnte sie vermutlich nicht einmal nachempfinden. Außerdem verspürte sie einen Stich vollkommen absurder, aber nichtsdestoweniger intensiver Eifersucht.
»Was … kann ich für Euch tun, Herr?«, fragte Sonja. Pia zog es vor, lieber nicht darüber nachzudenken, was sie damit wirklich gemeint haben mochte.
»Was hat sie gesagt?«, fragte Jesus.
»Herr?«, erwiderte Sonja verwirrt.
Pia verdrehte die Augen. Jetzt ging das wieder los!
»Schon gut.« Sie hob besänftigend die Hand, bevor die Situation eskalieren und damit noch komplizierter werden konnte. »Sie hat nur gefragt, ob du etwas trinken möchtest. Ich nehme an, die Antwort ist Ja?«
»Ein eiskaltes Bier wäre gut«, antwortete Jesus. »Am besten gleich ein ganzes Fass. Ein kleines reicht.«
»Erhabene?«, fragte Sonja, ein bisschen hilflos.
»Mein Freund ist durstig«, antwortete Pia. »Bitte bring ihm etwas zu trinken. Wasser«, fügte sie hinzu, gerade als das Mädchen sich umdrehen und davoneilen wollte, um ihrem Befehl nachzukommen. »Es sei denn, du möchtest etwas anderes«, fügte sie an Jesus gewandt hinzu. »Sie haben hier eine Art Milch, falls du auf Naturkost stehst.«
»Das ist keine Milch«, antwortete Jesus.
»Nein? Was dann?«
»Hast du davon getrunken?«, erkundigte sich Jesus, statt ihre Frage zu beantworten.
»Nur einen kleinen Schluck.«
»Dann willst du es nicht wissen, glaub mir«, versicherte Jesus. Er wandte sich an Sonja und raffte sich immerhin zu einemschlecht
Weitere Kostenlose Bücher