Elfenzorn
wenig abkürzen, Erhabene. Da sind ein paar wichtige Leute, die mit Euch sprechen möchten.«
»Das mit dem gestelzten Gerede hast du ja wirklich schon gut drauf«, sagte Pia.
Alica nickte. »Man tut, was man kann«, antwortete sie. »Aber im Ernst: Da sind wirklich ein paar Leute, mit denen du sprechen solltest. Keine Sorge.« Sie hob rasch die Hand, obwohl Pia gar nicht vorgehabt hatte, zu widersprechen. »Wahrscheinlich reicht es, wenn du dabeistehst und irgendwie königlich aussiehst. Überlass mir das Reden.«
»Gern«, sagte Pia. »Und worüber?«
»Ach, der übliche Unsinn eben.« Alica glitt mit einer fast lautlosen Bewegung vom Rand ihres barbarischen Badezubers und wandte sich zur Tür. »Staatsgeschäfte, die neuesten Steuerschätzungen, der übliche Klatsch und Tratsch bei Hofe und die bekannten kleinen Intrigen und Sticheleien.« Sie lachte hart. »Stell dir vor, irgendein Irrer hat das Gerücht in die Welt gesetzt, Prinzessin Gaylen sei auf einem fliegenden Pferd vom Himmel herabgestiegen, um uns in die Freiheit zu führen.«
»Was für ein Unsinn.«
»Was für ein Unsinn«, bestätigte Alica, ging mit schnellen Schritten zur Tür und wandte sich dann noch einmal – kurz – zu ihr um. »Bade in Ruhe zu Ende, aber lass dir nicht zu viel Zeit. Ich halte sie hin, solange ich kann, aber du weißt ja, wie das mit dem akademischen Viertelstündchen ist … sehr viel länger sollte man sie nicht warten lassen. Ich sage den Mädchen, dass sie dir was Anständiges zum Anziehen herauslegen sollen – oder bestehst du darauf deine Antarktis-Montur wieder anzuziehen?«
Pia verzichtete vorsichtshalber ebenso darauf, Alica zu antworten wie allzu genau darüber nachzudenken, was sie unter etwas Anständigem zum Anziehen verstehen mochte, und Alica wartete auch gar nicht auf eine Antwort, sondern verschwand endgültig.
Sie blieb schon aus Prinzip, aber auch weil das warme Wasser einfach ungemein wohltat, noch eine ganze Weile in der steinernen Wanne sitzen, bis sie sich schließlich selbst eingestehen musste, dass ihr Benehmen allmählich kindisch wurde. Gewisshatte sie das eine oder andere Hühnchen mit Alica zu rupfen, aber nicht jetzt, nicht so und ganz bestimmt nicht, bevor sie sich nicht wenigstens einen groben Überblick über die Lage hier verschafft hatte.
Nach dem heißen Bad hätte sie sich entspannt fühlen müssen, aber das genaue Gegenteil war der Fall: Sie war allenfalls müde, und ihre Glieder waren so steif, dass es sie gehörige Mühe kostete, aus der Wanne herauszusteigen.
Es gab kein Handtuch, also tappte sie, eine dampfende nasse Spur auf dem Mosaikfußboden hinterlassend, ins Nebenzimmer und war im ersten Moment fast blind, denn die Fenster hier waren zwar so schmal, dass sie eher die Bezeichnung Schießscharten verdient hätten, reichten dafür aber vom Fußboden bis unter die hohe Decke und ließen das Licht schon fast im Übermaß herein. Sie hatte ganz vergessen, wie hell das Licht hier war, wenn man sich nicht gerade durch einen subtropischen Dschungel kämpfen musste.
Hastig senkte sie den Blick, beschattete die Augen zusätzlich mit der Hand, warf einen raschen Blick in die Runde, um sich zu orientieren – sie sah kaum mehr als Schatten, erkannte aber immerhin, dass der Raum groß und bis auf ein niedriges Bett mit dazu passenden Dimensionen so gut wie leer war –, und trat dann an eines der schmalen Fenster heran.
Ihre Augen gewöhnten sich schnell wieder an das grelle Licht, das von einem vollkommen wolkenlosen und schon fast kitschig blau anmutenden Himmel herabschien. Sie konnte nur einen schmalen Ausschnitt der Stadt erkennen, die sich rings um sie herum ausbreitete, und doch war dieses wenige schon beinahe mehr, als sie überhaupt sehen wollte.
Die Stadt sah unendlich alt und zugleich futuristisch aus, denn alles hier war grob und vor allem groß und ausschließlich aus Stein, Holz und Stroh errichtet, zugleich aber so streng geometrisch, als wäre die Stadt an einem Computer entworfen und dieser Entwurf dann akribisch von einem Meisterarchitekten indie Wirklichkeit übertragen worden; dummerweise aber von einem, der irgendwann in der Jungsteinzeit geboren worden und aufgewachsen war. Sie hatte diese Stadt noch nie unversehrt gesehen – kein lebender Mensch auf der Welt hatte das, rief sie sich in Erinnerung –, aber es gab genug Rekonstruktionen und Bilder und Vermutungen, wie sie in ihrer Blütezeit einmal ausgesehen haben mochte, und zumindest die meisten dieser
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