Elfenzorn
richtige Menschen!«
Pia verbiss sich im letzten Moment die Bemerkung, dass es noch nicht allzu lange her war, dass Alica auch eines dieser schmutzigen Dinger gewesen war, aber irgendwie schien sie es trotzdem gehört zu haben, denn sie versuchte zuerst sie und dann die lärmende Kinderbande mit Blicken aufzuspießen. Sie folgten ihnen nach wie vor und wurden nur durch die schuppigen Leiber der Trexe auf Abstand gehalten – den sie natürlich prompt durch noch größere Lautstärke zu kompensieren versuchten, und das mit ziemlichem Erfolg.
»Sie sind fast so lästig wie in WeißWald«, nörgelte Alica. »Nur sind es mehr.«
»Und die Stadtwache macht hier nicht Jagd auf sie, um sie umzubringen«, fügte Pia hinzu.
Alica sah sie überrascht an. »Daran erinnerst du dich noch?«
Zunächst kam Pia diese Frage vollkommen sinnlos vor, aber dann rief sie sich wieder ins Bewusstsein zurück, dass für Alica seither nahezu genauso viele Jahre vergangen waren wie für sie Tage; und vermutlich waren es Jahre gewesen, in denen in jeder Woche mehr passiert war als zu Hause in Rio in einem ganzen Jahr. Mit einiger Verspätung nickte sie.
»Und es gibt noch einen Unterschied, weißt du?«, fragte Alica. »In WeißWald konntest du sicher sein, dass sie sich nicht urplötzlich in Monster verwandeln, die dich umbringen wollen.« Sie zog eine Grimasse. »Na ja, fast jedenfalls.«
Pia blieb ernst. »Ihr habt also immer noch nicht herausgefunden, woher diese beiden Ungeheuer gekommen sind, oder wer sie geschickt hat?« Ein kühler Hauch streifte ihre Wange, und es war, als würde der Tag blinzeln. Hätte es länger gedauert, dann hätte sie geglaubt, dass eine Wolke an der Sonne vorbeizog. Ihr Pferd schnaubte nervös, und auch die Trexe schienen sich plötzlich noch unruhiger zu bewegen.
Pia sah hoch. Im ersten Moment kam ihr der Himmel ebenso leer und strahlend blau wie gestern vor, nur dass die Sonne jetzt noch viel erbarmungsloser auf sie herunterbrannte, aber dann gewahrte sie doch etwas: Unendlich hoch über ihnen, gerade auf der Schwelle zwischen Erkennen und Erahnen kreisten zwei winzige schwarze Punkte.
»Verdammte Biester«, murmelte Alica. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt und beschattete die Augen mit der Linken, aber die Grimasse, die sie zog, schien ihren Grund nicht nur in dem grellen Sonnenlicht zu haben, in das sie sah.
»Hast du nicht gesagt, sie können nicht fliegen?«, fragte Pia. Ihre Hand glitt schon wieder zum Gürtel und schon wieder ins Leere. Sie hätte nicht auf Alica hören, sondern den Dolch mitnehmen sollen.
Alicas Blick ließ die winzigen Punkte am Himmel los und folgte ihrer Bewegung. Sie schüttelte rasch und mit einem ebenso knappen wie humorlosen Lächeln den Kopf. »Das sind keine Terrorvögel«, sagte sie. »Aber ich weiß nicht, ob ich mir nicht wünschen sollte, es wären welche.«
Die Punkte kamen näher. Sie blieben winzige schwarze Schmutzflecke am Himmel, aber man konnte jetzt sehen, dass sie ... flackerten, als wären sie nicht ganz real. Oder schlügen mit den Flügeln. Und dann wusste sie, was sie dort sah.
»Eiranns Raben?«, murmelte sie.
Diesmal warf ihr Alica einen eindeutig anerkennenden Blick zu. »Ja. Ein lieber Gruß von unserem Freund Schwert Torman. Nur um sicherzugehen, dass wir ihn nicht vergessen.«
Pia erschrak. »Er weiß, dass wir hier sind?«
»Diese Biester beobachten uns von Anfang an«, grollte Alica. »Ein Königreich für ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr und zwei funktionierende Patronen!«
»Aber wenn er weiß, dass ihr euch hier versteckt –«
»Niemand versteckt sich hier, Liebes«, unterbrach sie Alica in einem Ton, der das letzte Wort Lügen strafte. »Aber wir sind hier sicher, keine Angst. Torman ist nicht der Einzige mit Augen am Himmel. Trotzdem gehen mir diese verdammten Biester auf die Nerven. Ist ja nicht so, als hätten wir nicht schon genug Probleme!« Sie starrte die beiden Raben noch einen Moment lang so hasserfüllt an, dass Pia kaum noch erstaunt gewesen wäre, hätte sie sie allein durch ihre Blicke vom Himmel gefegt. Schließlich bedeutete sie ihren Begleitern mit einer zornigen Bewegung, weiterzureiten.
»Auf dieser Seite haben die Maya also überlebt«, sagte sie nach einer Weile, und vielleicht nur, um überhaupt etwas zu sagen und das Schweigen keine Gewalt über sie erlangen zu lassen. »Sind die Spanier nicht gekommen?«
»Es gibt hier keine Spanier«, antwortete Alica. »Nur Elben. Und die sind gekommen. Und
Weitere Kostenlose Bücher