Elfenzorn

wirklich ... beeindruckend«, sagte sie schleppend. »Aber warum zeigst du mir das?«
    »Um ein bisschen anzugeben?« Alica gab sich Mühe, ihre Zufriedenheit zu überspielen. »Na ja, und außerdem gibt es da etwas, was du wirklich sehen solltest. Komm mit.«
    Sie gingen so nahe an dem sechs Meter tiefen Abgrund entlang (unter dem keineswegs Wasser lauerte, sondern der gemauerte Rand des künstlichen Sees), dass Pia schon wieder gegen ein leises Schwindelgefühl ankämpfen musste, als sie ihr folgte. Sie bewegte sich nach links und trat dann auf eine schmale Treppe, die sich so perfekt in das graue Gestein der Bruchkante einpasste, dass Pia sie praktisch erst sah, als sie darauf stand. Die Stufen waren rau und nicht ganz gleichmäßig, und ihre Höhe war erfreulicherweise ganz normalen menschlichen Proportionen angepasst. Irgendwie spürte sie, dass sie relativ neu sein musste.
    »Und was gibt es jetzt hier so Spannendes?«, fragte sie, unten angekommen.
    Alica bedeutete ihr mit einer knappen Geste, sich noch einen Moment zu gedulden, sah sich scheinbar unschlüssig um, ging dann noch ein paar Schritte weiter und verschwand.
    Pia riss ungläubig die Augen auf, blinzelte und sah genauer hin. Alica tauchte genau so urplötzlich wieder auf, wie sie gerade verschwunden war. Zum Teil wenigstens. Ihr linkes Bein und ein Stück der Hüfte blieben unsichtbar. Pia glotzte.
    »Ja, das dachte ich mir, dass dir der Trick gefällt«, feixte Alica. »Beeindruckend, nicht?«
    »Beeindruckend?«, ächzte Pia. »Das ist ... Zauberei!«
    »Ja, das dachte ich auch, als ich es das erste Mal gesehen habe«, antwortete Alica. Sie wedelte sie aufgeregt heran, wobei ihre linke Hand und der Unterarm verschwanden, wieder auftauchten, verschwanden, wieder auftauchten und wieder verschwanden. Es war nicht gerade ein Anblick, der Pia dazu motivierte, ihrer Aufforderung nachzukommen. Sie rührte sich nicht.
    »Nun komm schon«, drängelte Alica. »Es ist ganz harmlos, und es hat auch nichts mit Zauberei zu tun. Nur eine ganz simple optische Täuschung. Aber genial.«
    Ihre Hand tauchte wieder auf und blieb auch sichtbar, als sie die gespreizten Finger auf den Fels legte. Ihr Bein und ihre Hüfte blieben jedoch weiter verschwunden.
    Pia überwand ihre Furcht und trat nun doch zögernd näher. Alica hatte recht: Es war nur eine optische Täuschung, aber sie war nicht simpel, sondern geradezu genial. Direkt vor Alica ragte eine schräge Steinplatte in die Höhe, deren Farbe und Maserung so genau dem Fels dahinter entsprach, dass sie praktisch unsichtbar wurde.
    Vorsichtig trat sie einen halben Schritt zur Seite, aber der unheimliche Effekt blieb. Wer immer diese Platte bearbeitet hatte, hatte es so getan, dass die Illusion auch aus einem leicht anderen Blickwinkel funktionierte. Sie war mehr als beeindruckt ... und ganz und gar nicht so überzeugt wie Alica, dass es sich nicht doch um Zauberei handelte.
    Zögernd trat sie um das Hindernis herum und sah etwas wie eine schmale und sehr niedrige Tür in der Felswand; allerdings nur, weil jemand den Vorhang aus Blättern und dichten fleischigen Lianen davor sorgsam zur Seite gebunden hatte. Dahinter war nichts als Schwärze zu erkennen.
    Alica erwartete sichtlich von ihr, genau in diese Dunkelheit einzutreten, aber Pia sah sie nur fragend an. Ihre Leibwache aus Elbenkriegern war ihnen nicht gefolgt, wie ihr erst jetzt auffiel, und auch das behagte ihr nicht. »Was ist das?«, fragte sie.
    »Kukulkans kleines Geheimnis«, antwortete Alica. »Ich bin nicht ganz sicher, ob er weiß, dass wir es entdeckt haben ... Wir haben es auch nur durch einen Riesenzufall gefunden.«
    »Was?« Pia versuchte die Dunkelheit jenseits des Spaltes mit Blicken zu durchdringen, aber es gelang ihr einfach nicht. Nachdenklich sah sie auf ihre Stiefel hinab, spürte jedoch auch von ihnen keinerlei Reaktion; und auch keinen Widerstand, als sie prüfend einen halben Schritt machte. Immerhin.
    Alica verschwand in dem Spalt und rumorte einen kurzen Moment in der Dunkelheit herum, dann hörte sie das charakteristische Klicken ihres Einweg-Feuerzeugs, und gelbes Fackellicht vertrieb die Schwärze und ersetzte sie durch tanzende Schatten, die ihren Augen aber auch nicht mehr enthüllten. Irgendetwas schimmerte wie Metall.
    »Komm schon, du Angsthase«, drang Alicas Stimme aus dem Fels. »Hier drin ist nichts, was beißt.«
    Aber vielleicht sticht, dachte Pia, oder kneift. Sie ging trotzdem los, duckte sich unter den niedrigen