Elfenzorn
schneller sein müssen«, beharrte Jesus. »Dazu bin ich schließlich da, oder? Ich habe den Sith und Kukulkan aus dem Haus kommen sehen, und nur ein paar Minuten später sind sie wieder reingegangen ... dabei waren sie die ganze Zeit hinter mir. Ich meine: Sie waren zweimal da. Das kann doch gar nicht sein!«
»Und daraufhin bist du aufs Dach gekommen und hast mir das Leben gerettet«, sagte Pia.
»Aber nicht schnell genug«, beharrte Jesus. »Ich meine: Ich bin bestimmt eine Minute einfach nur dagestanden und hab mit offenem Mund geglotzt, bevor ich überhaupt kapiert hab, was los ist!«
»Als Einziger von allen dort unten, die den doppelten Kukulkan gesehen haben«, sagte Pia – was für sich allein genommen schon sonderbar genug war. »Hättest du das nicht getan, dann wäre ich jetzt tot.«
»Und hätte ich richtig reagiert, statt dazustehen und Löcher in die Luft zu starren, dann wärst du nicht einmal verletzt worden, und Colum wäre noch am Leben«, beharrte Jesus.
»Colum?«
»Der Schattenelb, dem das Vieh den Arm abgerissen hat«, antwortete Jesus.
Und dessen Namen sie nicht einmal gekannt hatte. Sie schwieg. Nicht nur Jesus’ Tischmanieren hatten sich verändert. Das war auch nicht mehr seine Art zu reden, womit sie ganz und gar nicht nur seine Wortwahl meinte.
»Du … musst dir wirklich keine Vorwürfe machen«, sagte sie. »Und nur keine Bange. Dein Job ist nicht in Gefahr.«
»Ich weiß nicht, ob ich ihn überhaupt will«, sagte Jesus. »Die Arbeitszeiten sind mies, und das Betriebsklima lässt auch zu wünschen übrig. Aber dafür ist die Bezahlung schlecht.«
»Ich kann mich gar nicht erinnern, dass du bezahlt wirst.«
»Eben«, grummelte Jesus. Er schlug die schreiend bunte Decke zurück, unter der er lag, und Pia stand hastig auf, als er die Beine von der harten Unterlage schwang. Vielleicht tat sie es sogar ein wenig zu hastig, denn Jesus sah sie eine Sekunde lang stirnrunzelnd an und schnüffelte dann hörbar.
»Ich verstehe«, sagte er. »Machen wir einen Spaziergang zum Fluss?«
Pia bezweifelte, dass er auch nur bis zur anderen Seite des Platzes kommen würde, so wie er aussah. Hatte Kukulkan nicht versprochen, ihm zu helfen?
»Da habe ich eine bessere Idee«, sagte sie. »Alica war so freundlich, ihr Badezimmer mit dem Nonplusultra der hiesigen Sanitärtechnik ausstatten zu lassen. Unter anderem mit einer wirklich schicken Badewanne.«
»Groß genug für zwei?«, fragte Jesus.
Pia starrte ihn an. »Wie?!«
»Na, sieh mich doch an.« Jesus deutete an sich herab. »Ich bin mindestens doppelt so groß wie diese halben Portionen hier! Ich habe keine Lust, Suzuki mit mir selbst zu spielen.«
»Was?«
»Oder wie immer diese chinesische Faltkunst auch heißt.«
»Origami«, antwortete Pia, »und es ist japanisch. Aber keine Sorge, das Ding ist sogar groß genug für dich. Als ich es das erste Mal benutzt habe, hätten mich fast die Kräfte verlassen, weil ich zu weit rausgeschwommen bin.«
Jesus’ Stirnrunzeln wurde nur noch tiefer, aber schließlich nickte er, machte einen wackeligen Schritt und wirkte ein bisschen erschrocken, als er offenbar selbst spürte, wie unsicher er noch auf den Beinen war. Das wäre jetzt wohl spätestens der Moment, in dem sie zu ihm gehen und ihm anbieten sollte, sich auf sie zu stützen, aber stattdessen bedeutete sie den beiden Mayakriegen an der Tür, das für sie zu übernehmen – nicht nur, weil sie wusste, wie schwer er war und er tatsächlich nicht besonders gut roch. Sie wollte ihm nicht noch näher kommen. Ihr schlechtes Gewissen machte ihr auch jetzt schon genug zu schaffen. Und dass sie nicht einmal genau sagen konnte, warum das so war, machte es nicht im Geringsten besser.
Sie ging hinaus, winkte den erstbesten Indio herbei und trug ihm auf, zu den beiden Mädchen zu gehen und sie Wasser für ein heißes Bad vorbereiten zu lassen. Sie ging auch nicht ins Haus zurück, sondern wartete, bis Jesus herauskam, schwer auf die beiden Indios gestützt, die neben ihm nicht nur tatsächlich wie – schmächtige – Kinder aussahen, sondern auch sichtlich Mühe hatten, unter seinem Gewicht nicht zusammenzubrechen.
»Schaffst du es?«, fragte sie mit einer Geste zu dem Haus auf der anderen Seite des Platzes. Ihr Blick vermied es dabei fast krampfhaft, die gewaltige Stufenpyramide auch nur zu streifen, die dazwischen lag.
»Gar kein Problem«, antwortete Jesus. »Die Frage ist nur, wie viele von diesen Knirpsen ich unterwegs verschleiße.« Er
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