Elfenzorn
automatisch. Wie um alles in der Welt kam Eirann hier herein? Hinter ihm war keine Tür, und es war vollkommen ausgeschlossen, dass sie ihn einfach übersehen hatte. Dazu war er schlichtweg zu groß.
»Es gibt da noch eine Sache, über die wir reden müssen, bevor Torman da ist«, mischte sich Alica ein. »Kukulkan hat Kundschafter ausgeschickt, um das Heer aus Elfenborg im Auge zu behalten.«
»Wie umsichtig«, sagte Pia spöttisch.
Alica warf ihr einen eindeutig ärgerlichen Blick zu. »Was weißt du über Ixcaret?«
»Nichts«, antwortete Pia. »Was soll das sein?«
»Die große Stadt am Fluss, von der Ihr berichtet habt«, sagte Eirann. »Kukulkans Späher bestätigen Eure Behauptung. Die Bevölkerung dort ist verschwunden.«
Pia war nicht sicher, was sie von dem Wort Behauptung halten sollte. Sie sah den Schattenelben nur an, und ein Teil von ihr fragte sich immer noch, wieso sie ihn nicht gesehen hatte, als sie hereingekommen war.
»Die Späher haben keine Toten gefunden«, fuhr Eirann fort. »Weder Menschen noch Orks. Aber es gab einen Kampf. Die Menschen wurden verschleppt. Auch die Toten.«
»Falls es welche gegeben hat.« Es gelang Pia nicht ganz, ein Schaudern zu unterdrücken, als sie an die verheerte Stadt zurückdachte, über die sie hinweggeflogen war, und bedauerte es längst, nicht wenigstens für einen Moment dort haltgemacht und sich umgesehen zu haben, war zugleich aber auch froh, dass siees nicht getan hatte. Von dieser Stadt war etwas … Unheimliches ausgegangen, das sie selbst jetzt noch spürte. Trotzdem fügte sie hinzu: »Vielleicht sind sie vor … irgendetwas geflohen.«
»Vor einem Schneesturm«, vermutete Alica.
»Es gab einen Kampf«, sagte Eirann. »Die Späher berichten von großen Zerstörungen. Doch sie haben keine Toten gefunden. Und keine Überlebenden. Wer immer Ixcaret angegriffen hat, war offensichtlich darauf bedacht, niemand zurückzulassen.«
Diesmal war Pia sicher, dass diese Formulierung kein Zufall war, und nahm sich auch Zeit, darüber nachzudenken. »Ihr glaubt nicht, dass es Orks waren?«
»Die Grünhäute nehmen keine Gefangenen«, sagte Eirann. »Und sie nehmen ihre Toten nicht mit.«
»An der Furt haben sie es getan«, gab Alica zu bedenken. »Und das mit den Gefangenen stimmt so nicht ganz, fürchte ich. Sie ziehen in den Krieg. Sie werden lange unterwegs sein. Und keine Zeit zum Jagen haben.«
»Und?«, fragte Pia.
»Sie brauchen Proviant.« Alica hob die Schultern. »Wusstest du, dass die Maya bei uns früher Chihuahuas mit auf ihre Kriegszüge genommen haben? Um sie zu essen?«
»Das ist nicht witzig, Alica.«
»Ich weiß«, antwortete Alica. »Siehst du mich etwa lachen?« Sie kam um den Tisch herum, versuchte den Stuhl direkt neben ihr zurückzuziehen und hätte sich beinahe selbst aus dem Gleichgewicht gebracht, als sie entdeckte, dass er zwar wie ein filigran aus Holz geschnitztes Kunstwerk aussah, in Wahrheit aber aus massivem Stein bestand. Niemand lachte.
»Sie haben keine toten Orks gefunden«, fuhr sie fort, ohne sich zu setzen, funkelte aber den störrischen Stuhl auf eine Weise an, die den Stein eigentlich hätte zum Schmelzen bringen müssen. »Weder in der Stadt noch am Fluss. Und du bist ganz sicher, dass du –?«
»Dass ich mir das alles nicht nur eingebildet habe?« Pia sah sieso böse an, wie sie nur konnte. »Ganz und gar nicht. Ich gebe es ja nur ungern zu, aber je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass es nur ein übler Traum war. Ich muss wohl etwas Schlechtes gegessen haben … und das Schwert, mit dem ich Torman beinahe umgebracht hätte, muss ich mir wohl auch nur zusammengesponnen haben. Du weißt ja, wie das ist. Die Macht der Fantasie und so.«
Alica blieb ernst. »Niemand behauptet, dass du spinnst, Liebes«, sagte sie. »Jedenfalls nicht mehr als sonst. Aber diese eine tote Grünhaut muss nicht unbedingt etwas mit dem Überfall zu tun haben.«
»Und womit sonst?«
»Es wurden keine Orks in der Umgebung gesehen«, beharrte Eirann. »Schon seit Monaten nicht mehr.«
Pia wollte widersprechen, besann sich dann aber eines Besseren und beließ es bei einem angedeuteten Schulterzucken. Sie hatte immer mehr das Gefühl, dass da noch etwas war, was außer ihr jeder hier drinnen wusste.
Schritte näherten sich, und eine ihrer beiden Dienerinnen kam herein, auch sie prachtvoll herausgeputzt und mit einem riesigen Federschmuck auf dem Kopf, sodass sie nicht einmal ganz sicher war, um
Weitere Kostenlose Bücher