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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erhellen, dass die Schatten lebendig wurden und sich mit unheimlichem Nicht-Leben füllten. Dann erkannte sie, was sie an dem Licht so störte: Es war das Licht der Morgensonne, die draußen gerade über den Horizont gestiegen war und ihnen jetzt fast waagerecht in die Augen stach. Waren sie tatsächlich eine ganze Nacht durch dieses finstere Labyrinth geirrt, oder hatte selbst die Zeit hier unten ihre Macht verloren?
    Der zornig emporgereckte Drachenkopf am Bug des Schiffes berührte den Vorhang aus erstarrten Jahrhunderten, und neben ihr presste Ter Lion ungläubig die Luft zwischen den Zähnen hindurch, als sie ins helle Licht des neuen Morgens hineinglitten.
    Und mitten ins Herz einer apokalyptischen Schlacht.
    Vielleicht war noch sehr viel mehr Zeit vergangen, als sie ohnehin geglaubt hatte, vielleicht hatten Torman und Eirann sie auch belogen, oder noch etwas anderes und viel Bizarreres war geschehen – gleichwie, es waren nicht Dutzende oder Hunderte von Elbenkriegern, die sich in einer blitzenden Flutwelle aus schwarzem Eisen und scharf geschliffenem Stahl aus dem Dschungel und ans Ufer des lang gestreckten Sees ergossen, auf den die Drakkensang hinausglitt, sondern Tausende, ein gewaltiges Heer, zehnmal größer als das, das sie damals am Fluss gesehen hatten.
    Doch so viele es auch waren, die Zahl ihrer Gegner war nochungleich größer. Hätte man Pia in diesem Moment erzählt, die Bäume des Dschungels selbst wären zum Leben erwacht, um sich dem verhassten Feind entgegenzustellen, sie hätte es geglaubt. Es mussten Tausende sein, Tausende und Tausende und Abertausende kleiner bronzehäutiger Gestalten mit bunten Kopfschmucken aus Federn, die Äxte mit steinernen Klingen und Schwerter aus glasscharfem Obsidian schwangen, lange Speere mit Spitzen aus demselben Material und kurze Blasrohre, als wäre Kukulkans gesamtes Volk hierhergekommen, um sich der Armee der Schattenelben entgegenzustellen. Es war Pia nicht möglich, Einzelheiten zu erkennen. Das gesamte Ufer schien zu einer einigen Explosion reiner Gewalt geworden zu sein, in der nicht zwei Armeen, sondern zwei komplette Völker aufeinanderprallten, beseelt von einem Hass, der älter war als die Welt und niemals erlöschen würde, solange die eine Seite die andere nicht vollkommen ausgelöscht hatte; und vielleicht nicht einmal dann.
    »Aber was ...?«, murmelte Lion, schrie plötzlich auf und riss das Schwert mit einer so blitzartigen Bewegung in die Höhe, sodass Pias Blick der Bewegung kaum folgen konnte. Ein Klirren erscholl, und irgendetwas surrte mit einem Geräusch wie eine zornige Hornisse so dicht an ihrem Gesicht vorbei, dass sie den Luftzug spüren konnte.
    Nur dass es keine Hornisse war, sondern ein fingerlanger Pfeil mit einem weißen Busch am Ende, der sich mit einem trockenen Knall nur eine Handbreit neben ihr in das hochgezogene Heck des Schiffes bohrte.
    »Runter!«, brüllte Lion zwar mit einiger Verspätung, aber dafür umso lauter und vollkommen nutzlos. Ein zweites Blasrohrgeschoss verfehlte Pia noch knapper, dann ging ein ganzer Hagel gefiederter schwarzer Todesboten so zielsicher auf ihn nieder, dass er es vorzog, seinen eigenen Rat in den Wind zu schlagen und sich mit einem hastigen Sprung in Sicherheit zu bringen. Unmittelbar neben der Drakkensang spritzte das Wasser auf, und die Stelle, an der Lion gerade noch gestanden hatte,verwandelte sich plötzlich in ein zitterndes Nadelkissen. Mindestens zwei oder drei der tödlichen Geschosse gruben sich auch in Ixchels reglosen Körper, und dass Pia selbst nicht getroffen wurde, glich schon fast einem kleinen Wunder.
    Aber vielleicht war es auch mehr.
    Etwas … geschah.
    Pia konnte nicht sagen, was. Es war keine Veränderung des Sichtbaren; nicht einmal des Fühlbaren, sondern ein Wandel auf einer Ebene der Realität, von der sie bisher noch nicht einmal gewusst hatte, dass sie existierte. Es war, als spürte sie das Erwachen von etwas Uraltem und Lebendigem, etwas von so unvorstellbarer Macht, dass es die Grenzen ihrer Vorstellungskraft einfach sprengte und nur noch immer stärker und stärker und stärker wurde.
    Und dann, endlich, begriff sie.
    »O nein«, murmelte sie. »Dieser verdammte Mistkerl!«
    »Wer?«, fragte Lion. Misstrauisch suchte sein Blick das nahe Ufer und den Himmel ab, aber zumindest im Augenblick regneten keine weiteren Giftpfeile auf sie herab.
    »Farlan«, antwortete Pia. »Und Torman und Eirann auch!« Und vielleicht sogar Alica, nicht einmal mehr dessen war

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