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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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immerhin, dass sie sie in der zurückliegenden Stunde ausgiebig genutzt hatte. Vielleicht ließ ihr magischer Schutz ja nach, wenn sie ihn zu lange benutzte, oder er wirkte nicht auf jeden gleich. Sie atmete innerlich auf, als sie das Klinikgebäude erreichte und zu der übergroßen Drehtür trat.
    Ihr Verdacht, nicht wirklich unsichtbar zu sein, sondern nur die Sinne der Menschen irgendwie zu narren, wurde zur Gewissheit, als sich die Drehtür automatisch in Bewegung setzte, kaum dass sie sich ihr genähert hatte.
    Wieder für aller Augen sichtbar, trat sie auf der anderen Seite aus der Drehtür heraus und steuerte die Aufzüge am anderen Ende der großen, nahezu leeren Eingangshalle an. Sie war nicht vollkommen allein, aber doch so gut wie. Zur Linken befand sich eine verchromte, sanft geschwungene Theke unter einer ganzen Phalanx flimmernder Flachbildschirme, die eher an den Kommandostand eines Raumschiffes aus einem Science-Fiction-Film erinnerte als an den Empfang einer Klinik, und auf der anderen Seite eine Doppelreihe einfacher Plastikstühle, auf denen zurzeit aber niemand saß.
    Ein grauhaariger Mann in einer Fantasieuniform sah kurz hinter dem Hightech-Empfangstresen auf und verlor fast sofort wieder das Interesse an ihr, als er sah, wie zielsicher sie die Aufzüge ansteuerte. Pia ging noch ein wenig schneller. Sie fühlte sich unbehaglich, und dieses Gefühl nahm mit jedem Schritt noch zu. So seltsam es war: Diese gewaltige leere Halle erinnerte sie an die Eingangshalle zum Turm des Hochkönigs in WeißWald, obwohl man sich auf den ersten Blick kaum einen unterschiedlicheren Ort vorstellen konnte.
    Das Gefühl wurde sogar noch stärker, als sie den Aufzug betrat und den Knopf für die dritte und oberste Etage drückte. Sie hatte nie an Platzangst gelitten, aber ihr Herz begann schneller zu schlagen, und sie musste gegen das aberwitzige Gefühl ankämpfen, dass sich die Kabine mit jedem Meter, den sie sich nach oben bewegte, ein winziges Stückchen mehr um sie zusammenzog. Außerdem bestand die gesamte Rückwand der Aufzugskabine aus einem Spiegel.
    Pia hielt dem Anblick nicht nur trotzig stand, sondern wartete beinahe darauf, dass das Gespenst darin erscheinen und das Spiegelbild ihres eigenen blassen Gesichts überlagern würde.
    Aber sie atmete trotzdem erleichtert auf, als die Kabine mit einem sanften Ruck anhielt und im gleichen Maße wieder zu ihrer normalen Größe heranwuchs, in dem die Türen auseinanderglitten.
    Ein breiter, in freundlichen Farben gehaltener Korridor nahm sie auf. An den Wänden hingen gerahmte Drucke, und die Luft roch nicht nach Desinfektionsmittel und Krankenhaus, sondern nach Kiefernnadeln. Gepflegte Topfpflanzen und dezente Musik erweckten eher den Eindruck, sich in einem modernen Hotel der oberen Preisklasse zu befinden statt in einer Klinik, und selbst die Krankenschwester, die vorüberging und sie mit einem flüchtigen Kopfnicken grüßte, trug keine Schwesterntracht, sondern ein modern geschnittenes hellgraues Kostüm.
    So waren also die Reichen krank, dachte sie. Wahrscheinlich litten sie kein bisschen weniger unter Fieber, Schmerzen und allen möglichen anderen Krankheiten als die Armen, aber in einer Umgebung wie dieser litt es sich vermutlich doch angenehmer.
    Dennoch blieb es ein Krankenhaus. Und sie hatte immer noch das Gefühl, sich an einem Ort zu befinden, der auf unbegreifliche Weise mit dem schwarzen Turm im Herzen von WeißWald verbunden war.
    Vielleicht war es der Schmerz, dachte sie. Wer hierherkam, der litt auf die eine oder andere Weise Schmerzen, und die Zimmer hinter diesen freundlich gestrichenen Wänden hatten vermutlich mehr Leid und Tod und Tränen gesehen als die allermeisten anderen Gebäude in dieser Stadt. Es war kein böser Ort, wie der albtraumhafte Turm in WeißWald, aber er kannte ebenso viel Leid, und vielleicht waren all die Tränen und Schmerzensschreie nicht ungehört verhallt, sondern hatten etwas zurückgelassen. Möglicherweise hatte es ja einen Grund, dass so viele Menschen ein instinktives Unwohlsein verspürten, sobald sie ein Krankenhaus auch nur betraten.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Die junge Krankenschwester hatte kehrtgemacht und war zurückgekommen. Anscheinend hatte sieihren hilflosen Blick bemerkt und – natürlich – falsch gedeutet. Oder auch nicht. Pia gestand sich widerstrebend ein, dass sie tatsächlich nicht genau wusste, wo Jesus lag. Sie hatte am Telefon danach gefragt, aber die freundliche Stimme hatte ihr nur die

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