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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schon mehr Autos geklaut, als du in deinem ganzen Leben gesehen hast!«, behauptete Pia. Das war zweifellos übertrieben, wenn auch nicht allzu sehr, aber sie brauchte auch nur ein paar Sekunden, um die richtigen Drähte zu finden und miteinander zu verknoten. Der Motor sprang mit einem machtvollen Brummen an, und Pia richtete sich breit grinsend hinter dem Steuer auf. »Ein Hoch auf europäische Luxus-Oldtimer ohne elektronische Wegfahrsperre«, sagte sie. »Und ich habe schon ernsthaft angefangen zu befürchten, dass das Schicksal mich hasst.«
    Dann sah sie in den Innenspiegel und verbesserte sich in Gedanken. Sie musste es nicht befürchten.
    Das Schicksal hasste sie ganz eindeutig.
    Hinter ihnen bog ein Streifenwagen der Polizei in die Krankenhauszufahrt ein.

VII
    D er Polizeiwagen fuhr ohne Sirene oder Blaulicht, und der Fahrer schien es nicht besonders eilig zu haben. Er rollte langsam die Zufahrt hinauf, kam zwei Meter hinter dem Bentley zum Stehen, und der Fahrer stieg aus. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seine Mütze aufzusetzen, wie es eigentlich Vorschrift gewesen wäre, und er griff schon gar nicht nach seiner Waffe. Das ferne Heulen einer Sirene war noch immer zu hören, schien sich jetzt aber eher wieder zu entfernen.
    »Was zum Teufel bedeutet das?«, fragte Jesus.
    »Keine Ahnung«, antwortete Pia nervös. »Aber wahrscheinlich nichts. Vielleicht hat nur irgendein übereifriger braver Bürger die Polizei gerufen, weil wir im Halteverbot stehen.« Sie behielt den Polizisten im Spiegel aufmerksam im Auge, während sie mit einiger Mühe (und die fehlende Hightech-Ausrüstung des Oldtimers, die sie gerade noch so begrüßt hatte, nun innerlich verfluchend) das Seitenfenster herunterkurbelte.
    Der Mann blieb einen Schritt hinter dem Wagen stehen und zog etwas aus dem Gürtel, von dem sie nicht ganz sicher war, ob es sich nicht doch um eine Waffe handelte. Aber dann entpuppte es sich nur als eine Taschenlampe, deren Strahl er einen Moment lang konzentriert auf das Nummernschild richtete. Vielleicht erkannte er es ja und wusste, wem der Wagen gehörte, dachte Pia. So viele silbergraue Bentleys fuhren schließlich auch in Rio de Janeiro nicht herum.
    Ihr Wunsch ging nicht in Erfüllung. Nach ein paar Sekunden ging das Licht wieder aus, und der Mann kam näher. »Behalt bloß die Nerven«, sagte Pia. »Ich regle das schon.«
    Der Polizist kam näher, beugte sich zum Fenster herab und tippte mit dem Zeigefinger gegen den Rand seiner Dienstmütze, die er gar nicht aufhatte. Trotz der späten Stunde trug er eine Sonnenbrille, und er konnte nicht sehr viel älter sein als sie.
    »Guten Abend, Senhorita«, sagte er. Dann schwieg er verwirrt ein paar Sekunden, als er ihren sonderbaren Aufzug bemerkte. Die Schulter, wo die Kugel ihre Jacke zerfetzt hatte, wandte sie ihm gottlob nicht zu. »Sie wissen, dass Sie hier nicht stehen dürfen?«, fragte er, nachdem er seine Verblüffung wenigstens halbwegs überwunden hatte. Er sah jetzt eher amüsiert aus, aber das konnte Pia ihm nicht einmal verdenken. Wahrscheinlich hielt er sie für ein bisschen verrückt, und genauso wahrscheinlich bot sie einen ziemlich komischen Anblick hinter dem riesigen Steuer. Sie konnte kaum darüber hinwegsehen.
    »Genau dasselbe habe ich Onkel José auch gesagt«, antwortete sie mit dem treuherzigsten Augenaufschlag, den sie zustande brachte. »Aber er hat darauf bestanden, dass wir genau hier auf ihn warten.«
    »Onkel José?«, wiederholte er. »Und Sie … fahren diesen Wagen, Senhorita? Dürfte ich dann bitte Ihren Führerschein sehen?« Er beugte sich noch ein wenig weiter vor, um einen Blick auf Jesus’ Gesicht zu werfen, und Pia sagte hastig:
    »Ich habe keinen Führerschein.«
    Die Aufmerksamkeit des jungen Streifenpolizisten verlagerte sich schlagartig wieder auf sie. »Wie bitte?«, fragte er.
    Pia kicherte. »Oh, jetzt verstehe ich. Nein, nein. Ich fahre den Wagen nicht. Ich wollte nur einmal hinter dem Steuer sitzen, um zu sehen, was das für ein Gefühl ist.« Sie kicherte noch einmal und ganz bewusst ein bisschen anzüglich. »Sonst darf ich immer nur hinten sitzen, auf Onkel Josés Schoß.«
    »Onkel José?«, wiederholte der Polizist. Hinter der riesigen Sonnenbrille konnte Pia seine Augen nicht erkennen, aber sie sah ihm auch so an, dass sein Misstrauen keineswegs besänftigt war, sondern eher noch wuchs. Er versuchte noch einmal, einen Blick auf die Gestalt auf dem Beifahrersitz zu werfen.
    »José Peralta«,

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