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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wurde der Schmerz hinter ihrer Stirn so schlimm, dass ihr übel wurde.
    Trotzdem war sie geistesgegenwärtig genug, nicht nur mit einer Hand das Lenkrad festzuhalten, sondern auch den Rückwärtsgang heraus- und den ersten Gang hineinzurammen und sofort wieder Gas zu geben. Vielleicht hatte sie den Fuß auch gar nicht vom Pedal genommen, so genau konnte sie das selbst nicht sagen. Der Bentley machte einen Satz, der seinem schwerfälligen Äußeren Hohn sprach, rammte einen betagten Golf aus dem Weg und rumpelte ein kleines Stück weit mit zwei Rädern über den Bürgersteig, bevor es Pia gelang, die Kontrolle über das Lenkrad zurückzugewinnen und wenigstens so etwas wie einen halbwegs geraden Kurs einzuschlagen.
    »Nicht schlecht«, sagte Jesus neben ihr. »Wer hat dir das Fahren beigebracht?«
    »Ich glaube, das warst du«, antwortete Pia. Sie schaltete, gab Gas, schaltete noch einmal und stellte überrascht fest, dass die Tachometernadel die Hundert-Kilometer-Marke erreichte, ohne dass das Brummen des Motors auch nur nennenswert lauter zu werden schien.
    »Wie bei Kronn hat der Kerl gemerkt, dass wir –«, begann sie, brach ab und riss mit einem ungläubigen Ächzen die Augen auf, als Jesus sich neben ihr bückte und die Magnum vom Boden aufhob.
    »Sag nicht, dass du das Ding auf dem Schoß gehabt hast!«, ächzte sie.
    »He, woher hätte ich denn wissen sollen, dass der Kerl in den Wagen sieht?«, verteidigte sich Jesus.
    »Er hätte genauso gut gleich auf uns schießen können!«
    Pia setzte zu einem Schwall noch wüsterer Beschimpfungen an, biss sich aber dann nur auf die Unterlippe und konzentrierte sich lieber darauf, den Wagen in der Spur zu halten, was sich als schwieriger erwies, als sie nach ihren anfänglichen Erfolgen erwartet hatte. Der Bentley war nicht nur so schwer wie ein Panzer, sondern auch ungefähr genauso schwierig zu fahren. Vielleicht war er beschädigt. Irgendetwas quietschte erbärmlich, und das Lenkrad zitterte so stark, dass sie fast ihre ganze Kraft brauchte, um es zu halten.
    »Fahr nicht so schnell«, sagte Jesus spöttisch. »Nicht, dass wir noch ein Protokoll bekommen.«
    Pia nahm tatsächlich ein wenig Tempo weg – wenn auch nicht viel – und warf ihm einen halb ärgerlichen, zum allergrößten Teil aber erleichterten Blick zu.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte sie. »Geht es halbwegs?«
    »Ich bin nicht ganz sicher«, antwortete Jesus; allerdings erst nach ein paar Sekunden und in sonderbar nachdenklichem Ton. »Ich fühle mich gut, aber irgendwie …« Er lachte, leise, nervös und falsch. »… habe ich das Gefühl, dass es nicht richtig ist. Verrückt, oder?«
    Statt zu antworten, nahm Pia noch einmal Tempo weg und lauschte in sich hinein. Auch sie fühlte sich besser, als sie eigentlich sollte, aber sie machte sich nichts vor. Was sie spürte, war die aufpeitschende Wirkung von Adrenalin und Endorphinen, die irgendwann nachlassen würde, und dann würde sie in ein sehr tiefes Loch fallen. Und sie hatte ganz bestimmt nicht die Kraft, Jesus noch einmal zu helfen. Sie brauchten ein Versteck. Schnell.
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fragte Jesus: »Wohin fahren wir?«
    »Keine Ahnung«, gestand Pia, tippte auf die Bremse und bog vollkommen wahllos ab, um in der Seitenstraße noch einmal Tempo wegzunehmen. Sie fuhren jetzt knapp über sechzig und damit schnell genug, um in dem dünnen Verkehrsstrommitzuschwimmen, aber auch nicht so langsam, um aufzufallen. »Wir müssen irgendwo unterkriechen«, fügte sie nach einigen Sekunden hinzu. »Und wir brauchen andere Klamotten für dich.«
    Den seltsamen Blick, mit dem Jesus sie maß, konnte sie beinahe körperlich spüren. Er räusperte sich übertrieben. »Wo wir schon mal dabei sind …«
    »Schon gut. Das ist eine lange Geschichte.«
    »Die du mir später erzählst«, vermutete Jesus.
    Pia antwortete gar nicht darauf, sondern kämpfte verbissen mit dem bockenden Lenkrad und versuchte sich zu orientieren. Sie hatte nur eine vage Vorstellung davon, wo sie überhaupt waren, und so gut wie keine, wohin sie fahren sollte. Dennoch bog sie bei der nächsten Gelegenheit noch einmal ab und wagte es sogar, wieder ein bisschen schneller zu fahren. Das schleifende Geräusch wurde lauter, und es stank nach verbranntem Gummi und heißem Metall.
    Sie glaubte, eine vertraute Straßenkreuzung zu entdecken, bog ab und atmete erleichtert auf, als sie sah, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Wenigstens wusste sie jetzt, in welche Richtung sie

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