Elfenzorn
Laut gegen die verspiegelte Rückwand der Kabine. Sein Gesicht verlor so schnell an Farbe, dass man dabei zusehen konnte.
Mit einem raschen Schritt trat Pia neben ihn, ergriff seine Hand und spendete ihm noch einmal Kraft. Es half. Die Farbe kehrte in sein Gesicht und das Leben in seinen Körper zurück, aber Pia wagte nicht zu prophezeien, wie oft ihr das noch gelingen würde. Ein- oder zweimal, vielleicht.
Jesus stieß sich mit einem grunzenden Laut von der verspiegelten Rückwand der Liftkabine ab und bedachte sie mit einem Blick, von dem sie nicht sicher war, ob er ihr gefiel. »Manchmal wirst du mir richtig unheimlich, weißt du das?«
»Das sagt man mir in letzter Zeit öfter«, erwiderte Pia. »Aber danke, dass du mich daran erinnerst.«
Jesus machte ein noch ratloseres Gesicht, kam aber zu Pias Erleichterung nicht dazu, seine Frage laut zu stellen, denn die Kabine hielt an, und die Türen glitten lautlos auseinander. Max stand unmittelbar dahinter und hatte eine Pistole in der Hand.
Pia hätte nicht entscheiden können, ob es am Anblick der Waffe lag oder ob Jesus instinktiv spürte, wem er gegenüberstand, aber er reagierte so schnell, dass Josés Neffe nicht einmal Zeit fand, seine Überraschung zu überwinden, geschweige denn die Waffe zu heben. Jesus’ Faust krachte in sein Gesicht, nicht mit aller Kraft, die er hätte aufbringen können (was Max vermutlich das Leben rettete, wenn auch nicht den Kiefer), und die Pistole und ihr Besitzer flogen in entgegengesetzte Richtungen davon und schlitterten über den auf Hochglanz polierten Marmorboden. Erst als sie aus der Kabine heraustraten, fragte Jesus: »Wer war das?«
»Niemand, der dich interessieren muss«, antwortete Pia. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie der Wachmann hinter seinerTheke zusammenfuhr und dann so hastig nach dem Telefonhörer griff, dass er ihn fallen ließ und sich noch hastiger danach bückte, schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er nicht auf die Idee kam, etwas noch viel Dümmeres zu tun, und musste sich mit aller Kraft beherrschen, um nicht zu rennen, sondern die Halle nur mit schnellen Schritten zu durchqueren. Die zwei Sekunden, die sie dadurch gewonnen hätten, waren vollkommen unwichtig, aber Jesus hätte wertvolle Kraft dabei verschwendet.
Der Nachtwächter hinter seiner Theke kam auf die grandiose (und ziemlich selbstmörderische) Idee, die elektrische Drehtür abzuschalten, als Jesus und sie gerade mitten darin steckten. Jesus hob mit einem wütenden Knurren die Faust, um die Scheibe einzuschlagen, aber Pia hielt ihn mit einer hastigen Geste zurück, zog den Elfendolch aus der improvisierten Scheide und berührte die Scheibe vor sich mit der diamantenen Klinge. Das Glas zersprang mit einem hellen, lang nachhallenden Laut, und Jesus und sie traten durch den Rahmen, noch bevor die Glasscherben vollends zu Boden geregnet waren.
Sie zertrümmerte eine zweite Scheibe, und der Mann hinter ihnen kam im letzten Moment auf die Idee, den Rest der Drehtür zu retten, indem er sie wieder in Bewegung setzte.
Es wäre nicht nötig gewesen, aber Pia berührte aus purer Bosheit auch noch die dritte Scheibe und verwandelte sie in eine Wolke aus staubfein explodierendem Glas.
Das ferne Wimmern einer Polizeisirene empfing sie, als sie aus der demolierten Drehtür ins Freie traten und sich dem Bentley näherten.
Jesus machte erneut ein fragendes Gesicht, als er die silbergraue Luxuslimousine erblickte, und Pia zwang sich zu einem flüchtigen Grinsen. »Ich weiß doch, was ich dir schuldig bin, wenn ich dich schon abholen darf«, sagte sie. »Und mit einem Käfer hätten wir auch Schwierigkeiten bekommen, nicht wahr?«
Jesus sagte vorsichtshalber nichts dazu, sondern wirkte nur ein bisschen verdutzt, als sie auf den letzten Schritten an Tempozulegte, um den Wagen als Erste zu erreichen und auf der Fahrerseite einzusteigen.
Erst als sie sich hinter das riesige Steuer fallen ließ und die Tür hinter sich zuknallte, fiel ihr der Schlüssel ein, den Max vermutlich noch immer in der Jackentasche hatte. Eine halbe Sekunde lang überlegte sie, zurückzugehen und ihn zu holen, aber ihr fiel auch sofort eine schnellere Lösung ein. Noch während Jesus sich neben ihr mit solcher Wucht auf den Beifahrersitz fallen ließ, dass der ganze Wagen bebte, beugte sie sich zur Seite und riss mit einer kraftvollen Bewegung die Kabel aus dem Zündschloss.
»Und du bist sicher, dass du weißt, was du da tust?«, erkundigte sich Jesus.
»He, ich habe
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