Elfmeter fuer die Liebe
noch ehe wir überhaupt auf dem Platz waren.
Bei der ersten Dehnübung kippte ich ungraziös nach hinten über.
Den Aufwärmlauf für ein Rennen haltend, sprintete ich los und fiel unglücklich in Raphael, meinen Stürmerkollegen.
Beim Elfmetertraining traf ich den Ball ganze zweimal (von neun), wobei ich beim letzten Versuch mit soviel Schwung ausholte, dass mich das verbleibende Momentum in die Höhe riss und schmerzhaft mit dem Rücken auf den Boden knallen ließ. Freundlicherweise attestierte der mitgereiste Sanitäter mir eine leichte Gehirnerschütterung und ordnete mir eine Auszeit an.
Es war vielleicht nur das gleißende Sonnenlicht, doch schien Nikola Teflon bleicher als sonst. Es war ohnehin ein ungünstiger Tag – auch Cem wirkte tapsig auf dem Feld, als fehle ihm die rechte Konzentration. Von der Ersatzbank aus zeigte ich ihm einen aufmunternden Daumen hoch, was ihn allerdings so aus der Fassung brachte, dass er den Ball verschoss, zum Amüsement der restlichen Mannschaft.
Die erste Pause beschloss ich zum Erkundungsgang zu nutzen , und schlenderte durch die angenehm kühlen Räume des niedrigen Gebäudes.
Die Räumlichkeiten waren nicht groß, ich musste bald kehrtmachen; da meinte ich, Stimmen vom Ende des Korridors auszumachen. Es klang nach einem aufgebrachten Teflon, der irgend jemanden zurechtstutzte. Von Natur aus neugierig, außerdem ging mir Teflon mit seiner ewigen Miesepetrigkeit bereits gehörig auf den Zeiger, ging ich auf die Stimmen zu.
„Denk doch mal nach, Cem!“, intonierte der Co-Trainer inbrünstig. „Du bist Profifußballer. Du stehst in der Öffentlichkeit! Wenn das rauskommt, wenn du das nicht im Griff hast, dann spielst du nicht nur mit deinem Leistungsvermögen, sondern auch mit dem der Mannschaft!“
Ich konnte nicht fassen, dass dieser Idiot Cem wegen eines einzigen verschossenen Balls fertigmachte! Gerade wollte ich wütend um die Ecke treten, um dem Mann die Meinung zu geigen, da sprach er weiter – und ich fror ob seiner Worte mitten in der Bewegung ein.
„Nimm dir ne nette Frau“, zischte er. „Heirate. Setz ein paar Kinder in die Welt. Aber tu uns allen den Gefallen und oute dich nicht als schwuler Fußballer! Das kann das Image der Mannschaft grade nicht gebrauchen. Ist das klar?“
Cems Antwort kam so leise, dass ich nichts verstand. Vielleicht nickte er nur. Jedenfalls schien Teflon damit zufrieden, denn er verschwand. Ich hörte , wie sich seine Schuhe in meine entgegengesetzte Richtung entfernten.
Als ich vorsichtig um die Ecke spinkste, stand Cem Duygu wie das metaphorische Häuflein Elend in dem unbeleuchteten Flur. Ein begossener Pudelwelpe. Schweiß pappte das Trikot an seinen Rücken, die dunklen Haare hingen nass und traurig um seinen Kopf.
„Was für ein blöder Idiot!“, konnte ich mich nicht beherrschen auszurufen.
Cem zuckte sichtlich zusammen; mit einem Zuhörer hatte er nicht gerechnet, schon garnicht mit mir – mit Tobias – mit wem auch immer. Ich marschierte auf ihn zu und baute mich dicht vor ihm auf.
„Was fällt dem eigentlich ein?“, echauffierte ich mich und nahm befriedigt zur Kenntnis, wie Cems Augen sich weiteten. Ich redete mich in Rage: „Dieser Möchtegern-Torquemada hat dir doch nicht vorzuschreiben, wie du zu sein hast! In was für einer Gesellschaft leben wir hier eigentlich? Sei eben schwul! Das kann denen doch allen egal sein!“
Cem brauchte einen Moment. Vermutlich war es nur das künstliche Licht, denn seine Haut wirkte durchscheinend; viel zu verletzbar für ein Leben. Nach einer kurzen Pause fragte er vorsichtig: „Und du?“
„Hm?“, reagierte ich, etwas ausgebremst von dieser Frage.
„Wenn ich mich oute“, fuhr er fort, „stehst du dann hinter mir? Oder neben mir?“
Ich musste ihn wohl sehr irritiert angestarrt haben, denn statt einer Erklärung trat er auf mich zu, schlang seine Arme um meinen Hals und küsste mich. Das warf mich erstmal völlig aus der Bahn.
Ach.
Daher wehte der Wind.
Sein Auftauchen in meinem Zimmer am vorigen Abend erschien mir plötzlich in ganz neuem Licht; auch sein Verhalten an diesem Morgen. Da hatte ich Tobias ja schön in die Nesseln manövriert! Das hätte er mir ja aber vielleicht auch mal sagen können: Ach übrigens, ich bin mit Cem zusammen, nur dass du’s weißt – das war ja nicht so schwer.
Allerdings verkomplizierte sich die Situation dann doch noch. Seine Lippen lösten sich von meinen, seine Stirn berührte meine.
„Mensch Tobi“, atmete er in
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