Elfmeter fuer die Liebe
unsympathischer Vollpfosten, der seinen Job hasste; diese Möglichkeit bestand natürlich. Nun, das würde ich hoffentlich bald herausfinden.
Zwei Dinge passierten, ehe ich Gelegenheit bekam, das Handy zu filzen: Erstens, mein eigenes Telefon klingelte, das ich unvorsichtigerweise in der Hosentasche trug und auf Vibrationsalarm geschaltet hatte. Und zweitens, aus einer der verlassen geglaubten Duschkabinen trat Oliver Brauhaus im Adamskostüm.
Trotz allem strahlte er mich fröhlich an, als sei ihm diese Begegnung kein bisschen unangenehm. Ich starrte in seine blitzenden Augen, krampfhaft versuchend nur dahin zu blicken, während ich darauf wartete, dass mein Herzschlag wieder einsetzte. Er sagte nur: „Ich glaub, dein Handy geht.“
Es war Tobias. Sie wären eben angekommen, erklärte er mit gedämpfter Fröhlichkeit, und gab mir Anweisung, an welches Fenster ich mich zu stellen hatte, um das Fancamp sehen zu können.
Jenseits der breiten, wenig befahrenen Straße vor dem Hotel, sah ich halb von Gebüsch verdeckt einen in Deutschlandfarben angemalten VW-Bus. Viel auffälliger ging es wohl nicht.
„Wir schlafen erstmal im Auto“, fuhr er fort. „Die anderen dreißig kommen mit den Zelten nach.“
Tobias war also vor Ort. Wenigstens etwas klappte an diesem Tag, wenn auch nur für zwei Minuten; so lange dauerte es nämlich, bis Oliver Brauhaus in der Tür zum Speisesaal stand und mir mit feuchten Haaren freundlich zuwinkte.
„Ich muss auflegen, äh, Evelin“, improvisierte ich. „Danke für die Glückwünsche.“ Ich trennte die Verbindung, ehe Tobias noch etwas sagen konnte.
„Familie?“, versuchte Oliver es.
Meine Antwort fiel ausweichend aus. Dann hakte ich mich bei ihm ein und gemeinsam zockelten wir, als hätten wir uns abgesprochen, in Richtung Küche für einen Zwischensnack.
Am Abend des nächsten, unseres freien, Tages hatte ich zugegebenermaßen nichts Nennenswertes erreicht. Oliver, Thorben und ich hatten uns zwar dem Trainerstab für eine Sightseeing Tour angeschlossen, doch Nikola Teflon begleitete uns nur einen Teil des Weges und machte dann sein eigenes Ding; die Gelegenheit, ihm sein Handy abzuluchsen bot sich mir kein zweites Mal.
Jean-Pascal hatte seinen vier Personen starken Trupp in Richtung Einkaufsmeile geschleift und dort einen fast zwei Meter großen Plüscheiffelturm ergattern können, den er abends, zusammen mit ei nem Satz neuer Fotos , allen vorführte.
Cem war mir den ganzen Tag brav aus dem Weg gegangen. Nachdem Tobias mich morgens am Telefon weinerlich angefleht hatte, bloß nichts zu unternehmen, ja, Cem am liebsten für ihn den Laufpass zu geben, hatte ich ihn mit folgenden Worten vermutlich in tiefste innere Verzweiflung gestürzt: „Wenn du es nicht schaffst, deine Gefühle auf die Kette zu kriegen, musst du dich selbst aus dem Schlamassel herausziehen; am besten an den Haaren. Ich habe jetzt ein Date mit Oliver Brauhaus.“ Dann hatte ich einfach aufgelegt; ich kam mir mittlerweile schon vor wie ein Statist in einer Shakespeare’schen Verwechslungskomödie, d er den Überblick verloren hatte .
Wenigstens, seufzte ich betrübt vor mich hin, könnte ich mir von einem der Jungs ein iPad leihen und zur Abwechslung meine Emails abrufen; die hatte ich seit jenem denkwürdigen Horrormorgen völlig verdrängt. Iris war sicherlich schon völlig aus dem Häuschen. Ich konnte ihr ebensogut jetzt sagen, dass „Lampionsturm“ auf Eis lag, vermutlich für immer; globale Erwärmung gab es bei verlassenen Projekten nicht. Meine Badewanne mit Whirlpoolfunktion konnte ich vielleicht noch zurückgeben.
Mit Jean-Pascals Gerät unter dem Arm machte ich mich also auf den Weg in mein Zimmer. Leander lief mir leider in die Arme, mit einem schmalen Bündel Papier wedelnd. Wenn ich großes Pech hatte, waren das die Ausdrucke der ersten fünfzehn Seiten, die ich ihm versprochen hatte zu lesen. Ich hatte geradezu obszönes Pech: Leander hatte noch ganze sieben Seiten dazu geschrieben – der freie Tag habe ihm gutgetan, erklärte er mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht.
Elf Emails von Iris blieben nach Vernichtung der Reklame und Spamangebote. Wo ich denn sei, ich ginge nicht ans Telefon. Wie es mir ginge. Ob ich etwas bräuchte. Der Ton wurde immer dringlicher. In Email Nummer neun hieß es, sie sei bei mir vorbeigefahren, ich aber hätte nicht aufgemacht. Wie weit ich mit dem Roman sei, drängte sie in der letzten Mail, sie müsse doch dem Verlag irgendetwas bieten.
Ich
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