Elfmeter fuer die Liebe
möchte nur, dass ihr wisst, auf was ihr euch einlasst“, fuhr er leise fort. „Es könnte sein, dass erstmal die Presse über zwei schwule Fußballer hereinbricht wie eine Flutwelle.“
„Die Presse, die Presse“, murmelte ich abwinkend.
Seine Hand landete auf meinem Rücken. „Aber nur, dass du’s weißt, Tobi, und das hätte ich dir vielleicht schon früher sagen sollen: Egal für was ihr euch entscheidet, der Fußballbund steht hinter euch.“
Da fiel mir nun doch vor Überraschung fast die Gabel aus der Hand. Ich hatte bereits fest mit einem Statement gerechnet, dass dem Teflons nahe kam, wenn auch sanfter ausgesprochen.
„Mach dir keine Sorgen“, meinte er fest. „Spiel einfach nur Fußball und genieß die EM. Alles andere wird sich schon fügen.“
„Danke“, bedankte ich mich aufrichtig im Namen Tobias’. Er nickte kurz und wandte sich dann wieder seinem Mitternachtssnack zu. Doch die Vertrautheit dieses merkwürdigen Treffens wollte ich ausnutzen. Mir war noch lebhaft in Erinnerung, wie Oliver auf der Rückfahrt vom Stadion im Bus ausgesehen hatte – als bedrückte ihn etwas. Doch als ich ihn fragte, zuckte er nur mit den Schultern. Es sei nichts Wichtiges, winkte er ab; aber er sah mich dabei nicht an.
„Nun rück schon raus damit, Oliver“, gab ich ihm einen verbalen Stupser. „Du weißt meines schließlich auch.“
Er brauchte einen Moment, in dem er ausgiebig sein Langustenfilet studierte. Gottseidank hatte ich in meinen Gesprächen mit Tobias bereits Geduld lernen müssen, sonst wäre ich vielleicht aufgesprungen, hätte mit den Händen gefuchtelt und ihn dazu gezwungen, mir zu antworten. Das hätte die fragile Stimmung mit Sicherheit unwiderruflich zerrissen. Schließlich rückte er doch damit heraus: „Wenn ich euch manchmal so sehe, kommt ihr mir vor wie eine Familie. Dann vermisse ich meine eigene.“
Der Stich in der Magengegend rührte sicherlich von der Völlerei her und nicht von dieser Aussage.
„Du hast eine Familie?“ Er trug doch noch nichtmal einen Ehering. So etwas sollte überhaupt generell verboten wer den – so ein Ring war doch kein Bettelarmband, das man an und ausziehen konnte, wie es beliebte. Die Dinger waren aus gutem Grund erfunden worden, damit die so Gekennzeichneten vom Singlemarkt genommen wurden. Als verheirateter Mensch hatte man seinen Ehering nicht abzunehmen. Man spielte nicht so liederlich mit den Gefühlen potentieller Interessierter; das tat man einfach nicht.
Fast hätte ich aufgrund meiner inneren Hysterie sein Kopfschütteln verpasst.
„Aber ich hätte gerne eine. Eine Frau. Kinder.“
Als Teenager hatte ich drei Kinder mit Oliver Brauhaus haben wollen. Oliver Eins, Oliver Zwei und Theodor, nach meinem Großvater.
Er spitzte amüsiert die Lippen und fügte seiner Aussage hinzu: „In der Tat hab ich mich immer mit drei Kindern gesehen.“
„Drei ist die perfekte Zahl“, bestätigte ich, für einen Moment ganz Evelin. „Auch wenn mal eines keine Lust hat zu spielen, haben die anderen beiden immer noch jemanden.“ Und wenn etwas passierte, was bei Kindern so häufig der Fall ist, konnte einer die Eltern holen, während der andere bei seinem Geschwisterchen blieb.
„Und wenn sie mal zu dritt unterwegs sind und einem passiert was“, bestätigte Oliver meine Gedanken, „dann kann getrost einer die Eltern oder den Arzt holen, während der andere da bleibt.“
Als ich ihn nach einer Ehefrau fragte, verschwand die Heiterkeit wieder aus seinem Gesicht so rasch wie sie Einzug erhalten hatte.
„Es ist nicht so leicht, jemanden kennenzulernen, wenn man Oliver Brauhaus, Manager der Fußballnationalmannschaft ist. Und dann mag ich auch noch…“, er zögerte, nicht sicher, ob die traute Zweisamkeit ein Geständnis dieser Größe aushielte. Ich ließ ihm Zeit. Schließlich lachte er nervös, ehe er mir anvertraute, noch leiser als er ohnehin schon gesprochen hatte: „Ich mag rothaarige Frauen.“
Wie gerne hätte ich ihm daraufhin alles gesagt! Wer ich war, was ich hier tat und vor allen Dingen, dass ich ihn bereits seit Jahren liebte (mit kleinen Unterbrechungen, aber die machten sich in schwülstigen Liebesgeständnissen nicht so gut). Und wenn ich es ihm schon nicht sagen durfte, hätte ich ihn gerne geküßt, oder umarmt, oder beides. Doch nicht nur hatte ich Tobias hoch und heilig versprochen , niemanden in unser Geheimnis einzuweihen, die Käsenudeln suchten sich auch genau diesen Moment aus, um mit voller Wucht zurück an
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