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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Bekanntenkreis, sich an den dialektalen Heimatklängen erfreuen und seine heimatliche Landschaft vor Augen haben.
    Der verdammte Weg wurde immer steiler. Bonetti blieb abermals stehen, um sich den Schweiß abzuwischen und zu verschnaufen, dann drehte er sich um und hielt Ausschau, ob etwa der Knabe Giovanni hinter ihm herkam. Aber er sah und hörte niemanden, da war nur der Wald, und der Weg verlor sich zwischen den Felsen. Bonetti zog sein Jackett aus und legte es sich sorgsam gefaltet über den Arm.
    Wie schon zuvor würde er alles tun, um das Schlimmste zu vermeiden. Er war schließlich kein irrer Mörder. Wenn Natalia kein Anzeichen einer Genesung anzumerken war, wenn ihre Sprach- und Gedächtnisstörung anhielt, war er bereit, von seinem Vorhaben abzusehen. Aber insgeheim ahnte er, dass dem nicht so war. Nicht so sein konnte. Und er durfte kein Risiko eingehen.
    Die Steigung wurde sanfter, der Weg führte um ein Gestrüpp und weitete sich, und der Richter atmete tief durch und hob unwillkürlich den Blick zu seinem Ziel empor. Bis zu den verfallenen Häusern von Valnedo war es noch ein gutes Stück, doch die ersten moosbewachsenen Mauern waren bereits zu sehen. Eine unvorhergesehene Bewegung drang in sein Gesichtsfeld ein, und er sah genauer hin und erkannte sie.
    Natalia. Da war sie ja.
    Sie war dort oben, stand hinter einer Mauer. Und sie winkte ihm mit beiden Armen überschwänglich. Bonetti zückte sein Taschentuch und winkte zurück.
    Giovanni erreichte den Dorfplatz von Corvesco. Vom Richter war keine Spur. Dabei hätte er längst da sein müssen. Er trank einen Schluck Wasser aus dem Brunnen und sah nach, ob Bonetti vielleicht auf dem Kirchplatz wartete oder bei der Haltestelle des Postautos.
    Er ging eine Weile auf und ab, bis ihm einfiel, dass Bonetti ja wusste, wo seine Eltern das Ferienhaus hatten; vielleicht war er direkt dorthin gefahren. Giovanni überquerte den Platz und lief zu dem Haus am Dorfrand. Das Gartentor stand offen. Giovanni nahm seinen Rucksack ab und ging nach hinten in den Garten, wo sein Vater, das Kabel um die Schultern, den Rasenmäher vor sich herschob. Giovanni rief ihn, aber sein Vater hörte nichts. Er stellte sich ihm kurzerhand in den Weg.
    Ernesto Canova erschrak, stellte den Motor ab und fragte: »Was ist denn? Wolltet ihr nicht spazieren gehen?«
    »Ich bin noch mal zurückgekommen, ich hab was im Auto vergessen.«
    »Das heißt, du brauchst den Schlüssel. Der liegt auf dem Küchentisch.«
    »Danke. Sag mal, hast du vielleicht zufällig den Bonetti gesehen?«
    Giovanni sagte es rasch und beiläufig, um seinem Vater nicht erklären zu müssen, dass sie auf der Suche nach den Erinnerungen an den ersten August waren und der Richter seine Hilfe angeboten hatte … Es war alles zu kompliziert.
    »Bonetti?«, sagte sein Vater. »Wer ist jetzt das …«
    »Ach, du weißt schon, der Richter, der war doch auch mal hier bei uns, dieser Vormundschaftstyp, der entscheiden musste, was aus Natalia wird?«
    »Ach ja, natürlich … Nein, ich hab ihn nicht gesehen, ich habe niemanden gesehen. Warum?«
    »Egal. Ich muss zurück. Wenn du ihn siehst, den Bonetti, rufst du mich an?«
    »Ja, mach ich.«
    Ernesto Canova sah seinem davongehenden Sohn kopfschüttelnd nach und schaltete den Rasenmäher wieder ein.
    Giovanni kehrte zum Dorfplatz zurück. Er wollte Natalia anrufen und ihr sagen, dass es länger dauerte – bis ihm wieder einfiel, dass es oben in Valnedo ja keinen Empfang gab. Stattdessen versuchte er Bonetti anzurufen; der hatte aber sein Telefon ausgeschaltet. Giovanni hinterließ eine Nachricht auf der Mailbox und suchte sich einen Platz im Schatten. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen, dass Bonetti den vereinbarten Treffpunkt richtig verstanden hatte.

11
Geduld braucht es
    Natalia sah von oben zu, wie sich Bonetti zwischen Felsen bergauf quälte. An die Mauer gelehnt, ließ sie den Blick über das Tal schweifen und hob ihn dann zum Himmel und den bräunlichen Bergen in der Ferne. Wie eine innere Aufwallung war ein Sammelsurium von Stimmen und verschwommenen Bildern in ihr, die alle aus den Tagen nach dem ersten August stammten.
    Jetzt hatte sie zwar die Sprache wiedergefunden, musste aber einsehen, dass Wörter nicht ausreichen. Sie war nur einen Schritt von der Wahrheit entfernt, sie spürte es deutlich, dass nur noch ganz wenig fehlte. Aber sie fürchtete Täuschungen, falsche Erinnerungen.
    Von ihrer Mauer aus sah sie Bonetti nur noch ein paar

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