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Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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Hundert Meter unter ihr. Gleich wäre er bei ihr und würde ihr seine Idee erklären. Vielleicht konnte er ihr ja wirklich helfen, die entscheidenden Momente zu rekonstruieren, diese ersten wirren Stunden nach ihrer Rückkehr unter die Menschen. Sie hörte wieder De Marchis Fragen, seine leise Stimme: Natalia, Natalia, Ihre Mutter … ist tot, schrie es in ihr, meine Mama ist tot! Und Bonetti, der ihn unterbrach: He, nicht so hastig . Blitzartig sah Natalia sich selbst: wie sie im Begriff war, von dem Mord zu berichten, dem zweiten Mord.
    Dem zweiten Mord?
    Sie schloss die Augen. Sie sah, wie ein Mann ihrer Mutter einen Stoß versetzte. Sie sah Savi … das war er, Savi, er stieß die Mama gegen den Schreibtisch.
    Aber dann …
    Etwas stimmte nicht. Der erste Mann? Der zweite Mann?
    Das war nicht mehr ihre Geschichte, die Bilder hatten eine neue Färbung angenommen, und die Worte hallten durch ihren Kopf, als würden sie direkt in ihr Ohr gesprochen.
    Sie hörte Bonettis Stimme. Moment! Dann sah sie den Mann, den über ihre Mutter gebeugten Mann, und den Rauch … Rauch in den Augen …
    Der Aschenbecher.
    Natalia sieht, wie der Mann den Aschenbecher hebt und ihrer Mutter ins Gesicht schlägt. Im nächsten Moment ist sie es, die nach dem Aschenbecher greift; er liegt neben ihrer Mutter auf dem Boden. Sie hebt auch die verstreuten Papiere vom Boden auf und holt mit dem Aschenbecher aus, als sie den Mann auf der Schwelle erblickt. He! Natalia will fliehen. He! Halt! Sie kann sich nicht rühren, der Mörder kommt auf sie zu. Komm, gib das her . Dieser Mann redet mit ihr, dann verfolgt er sie, er hastet hinter ihr her durch den Wald … und dieser Mann, das ist der Richter Bonetti.
    Schlagartig war alles wieder da. Sie erinnerte sich an alles: an den Streit zwischen ihrer Mutter und Savi, den sie mitgehört hatte, den Sturz ihrer Mutter. Wie sie vor Savi geflohen, wie sie noch einmal zurückgekommen war. Wie Bonetti sie überrascht hatte.
    Bonetti! Aber warum, wie konnte das sein?
    Jetzt erinnerte sie sich, dass sie die Papiere samt dem Aschenbecher in eine Felsspalte geschoben hatte, am Ufer des Tresalti, und Moos und Steine davor aufgehäuft hatte, um das Versteck zu tarnen. Bestimmt waren sie noch da – es hatte sie doch niemand entdeckt! Vielleicht konnte sie das Versteck wiederfinden und den Richter Bonetti …
    Es war keine Zeit!
    Bonetti kam den Abhang herauf. Es trennten sie nur noch wenige Meter.
    Giovanni war das Warten leid. Von Bonetti war nichts zu sehen, und ans Telefon ging er auch nicht. Bei seinem Telefonat mit Natalia hatte er behauptet, er sei unterwegs nach Corvesco – das heißt, er hätte schon drei Mal da sein können. Der Dorfplatz war leer, und das Einzige, was sich rührte, war das Plätschern des Brunnens.
    Es war ein typischer Dorfplatz mit Blumenkästen vor den Fenstern, dem gelben Schild der Post und einem Telefonhäuschen. Giovanni hatte seinen Rucksack an eine Hausmauer gelehnt und tigerte nervös auf und ab. Dass Bonetti sich angekündigt hatte, begeisterte ihn wenig. Es war ja nett von ihm, Natalia helfen zu wollen, aber dass er sich jetzt in ihre Zweisamkeit drängte, war äußerst ärgerlich.
    Wer weiß, ob sich wieder eine Gelegenheit ergäbe, mit ihr allein zu sein! Es war ein schöner Spätsommertag, sie waren allein miteinander im Wald unterwegs, Natalia war optimistisch, und auch er fühlte Zuversicht. Das Letzte, was sie brauchten, war ein uralter Exrichter mit seinen väterlichen Ratschlägen und seinen abartigen Brillengläsern.
    Giovanni ermahnte sich innerlich, nicht unfair zu sein – Bonetti kam doch, um zu helfen. Aber warum brauchte er dann so lang? Und wieso ging er nicht ans Telefon?
    »Na, junger Mann, was machst du denn hier ganz allein?«
    Giovanni fuhr herum und erblickte Signora Peduzzi, die mit Kopftuch und Stock aus einem Gässlein aufgetaucht war.
    »Ich warte auf jemanden …«
    »Ach ja, Geduld braucht es immer!«
    Signora Peduzzi schickte sich zu einer langsamen Überquerung des Dorfplatzes an, deren Ziel die Postautohaltestelle war. Sie machte immer drei, vier Schritte mit gesenktem Blick, dann hob sie den Kopf, um die Entfernung abzuschätzen, die sich kaum merklich verringerte, und trippelte weiter.
    Giovanni seufzte ärgerlich und lehnte sich an einen Poller vor dem Kirchentor. Dann kam ihm eine Idee. Signora Peduzzi, die zwar bedächtig, aber häufig unterwegs und eine eifrige Postautonutzerin war, wusste bestimmt über alles Bescheid, was in Corvesco

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